autobahnuniversität / Horst-Eberhard Richter - Medizin und Gewissen
Horst-Eberhard Richter hielt 1996 beim internationalen Kongress »Medizin und Gewissen – 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess« – veranstaltet von der Nürnberger Regionalgruppe gemeinsam mit der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) – einen beeindruckenden Vortrag, den die Autobahnuniversität dokumentierte. Die aktive Vorbereitung und Beteiligung prominenter Mediziner und Anthropologen am nationalsozialistischen Vernichtungsprogramm wird hier deutlich auseinandergesetzt. Beispielsweise, wie viele andere, gehörte auch Konrad Lorenz dazu, wie Richter in Zitaten aus dem Jahre 1940 nachweist. Die nicht immer einfach zu erkennende Verbindung der Annahme eines allgemeinen, und damit auch gesellschaftlich vermittelten, "Heilauftrages für das Ganze" mit unseligen Ideen eines "zu reinigenden Volkskörpers" wird klar - und adressierbar. Was folgte, war "ärztlich gesteuerter Massenmord", der sich den "Tarnnamen Euthanasie" gab. Richter: "Nur eine helfende und gegen Entsolidarisierung wachsame Gesellschaft ist intakt." Die Gesellschaft, die "sich Hitler ergab", schritt rasch und zielstrebig ins Gegenteil. U. a. am Beispiel der Psychiatrie, und hier an Werner Heyde, zeigt Richter das erschütternd auf. Und er zeigt, was es bedeutet, wenn sich das subjektiv erlebte persönliche Gewissen zum "enteigneten Gewissen" im Dienst der Untat macht und wohin es eine Gesellschaft verschlage, wenn die Unterscheidung zwischen "wertem und unwertem Leben" angenommen sei. Alles wirke bis in heutige Debatten und Argumentationsstrategien, wie z. B. zu gentechnischen Entwicklungen. Orientierung könnten und sollten auch heute diejenigen geben, die dem Nationalsozialismus und seinen Angeboten widerstanden.
Horst-Eberhard Richter (1923-2011) gehörte zu den bedeutendsten Medizinern, Psychoanalytikern und Psychiatern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum und erfuhr auch international weite Anerkennung. Er wirkte u. a. an den Universitäten Gießen und Wien sowie in zahlreichen Forschungsinstituten und -gesellschaften und Organisationen des Gesundheitswesens. Richter hinterließ ein umfangreiches publizistisches Werk und zählte als gewichtige Stimme in fachlichen und gesellschaftspolitischen DIskursen.
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