autobahnuniversität / Wolfgang Frindte - Der Radikale Konstruktivismus und der Social Constructionism

Die Autobahnuniversität dokumentiert hier einen auch politisch engagierten Vortrag, den der bedeutende Psychologe und Sozialpsychologe Wolfgang Frindte auf dem großen Heidelberger Kongress Die Wirklichkeit des Konstruktivismus im Jahr 1991 hielt und der, wie so oft, auch für die aktuellen gesellschaftlichen Kontexte sehr Relevantes zu bieten hat. Wer ihn hört, kann direkte Bezüge erkennen zu den Themen, die die heutigen Debatten und politischen Entscheidungssituationen orientieren: Flucht, Krieg, bewaffnete Auseinandersetzung, Verschwörungserzählungen.
"Ein Gespenst geht um in Deutschland", beginnt Frindte, und meint das Gespenst Rechtsextremismus. Die vereinten Deutschen schieben – so Frindte mit Bezug auf die damaligen Angriffe auf ein Flüchtlingsheim in Rostock, dem eine Masse direkt Zuschauender Beifall spendete – ihre ersten "Ehekrisen" auf die Nachbarn und auf Geflüchtete.
Ausgehend von einem Vergleich der beiden prominenten wissenschaftstheoretischen Entwürfe des Radikalen Konstruktivismus und des Sozialen Konstruktionismus betrachtet Frindte die Ergebnisse einer Studie, in der über narrative Interviews die gruppeninternen und gruppenexternen Interaktionsräume der Bezugsgruppen Jugendlicher im rechtsextremen Spektrum untersucht wurden. Makrosoziale Angebote erweisen sich als Basis für individuelle und sich vergemeinschaftende Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Die Folge: Mythen, die nicht mehr bewiesen bzw. begründet werden müssen.
Der Ansatz des Radikalen Konstruktivismus an individuell biologischen Aktivitätsmustern, wie ihn etwa Humberto Maturana und Gerhard Roth vorführten, wird in Beziehung gesetzt zum Ansatz des Sozialen Konstruktionismus an sprachlicher Interaktion und Konstruktion, wie ihn am prominentesten Kenneth Gergen vertritt. Daraus entstehen nur scheinbar widersprüchliche Konzeptionen des Verhältnisses von psychischer und sozialer Realitätskonstruktion, aus deren Spannungsverhältnis erhellende Untersuchungsszenarien gewonnen werden können, wie sie Frindte und sein Team ihrer Studie zugrunde gelegt haben. Die unterschiedliche Bestimmung des "Konstruktionssubjekts" in Radikalem Konstruktivismus und Sozialem Konstruktionismus führe zu aufeinander beziehbaren Beschreibungsräumen in Individualpsychologie und Sozialpsychologie.


Wolfgang Frindte, geb. 1951, war, studierte in den 70er Jahren Psychologie in Jena und arbeitete nach seiner Promotion als Wissenschaftlicher Oberassistent an der Pädagogischen Hochschule ein Erfurt, nach der Habilitation als Professor für Sozialpsychologie an der FSU Jena. 1998 bis 2004 bekleidete Frindte eine Gastprofessur an der Universität Innsbruck. Seit 1994 ist er ordentlicher Professor für Sozialpsychologie und später Kommunikationspsychologie in Jena. Nach seiner Emeritierung 2017 ist er weiter an Projekten des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Universität Jena beteiligt.



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