Achtsamkeit

Es gibt Worte, die sind in Mode. Achtsamkeit ist ein Begriff, der sich im Momen großer Beliebtheit in der psychosozialen Szene erfreut, aber auch bei den Gutmenschen im HR-Management.


Meine ständige Begleiterin hat eine unvergleichlich großartige Qualität (neben anderen): Sie spürt instinktiv und sofort, wenn sie mit Bigotterie und Verlogenheit konfrontiert ist. Ich ermutige sie seit Jahren, daraus einen Beruf zu machen - ohne Erfolg. Deshalb kann die Menschheit nur insofern von ihrem - offenbar angeborenen - Talent profitieren, weil bzw. wenn ich hier von ihren Urteilen berichte.


Ihr Urteil über Achtsamkeit bzw. die Leute, die diesen Begriff programmatisch verwenden, ist niederschmetternd.


"Wenn ich das höre, dann denke ich sofort an Mädchen mit ordentlich geflochtenene Zöpfen, an Handarbeitsunterricht, bei dem die Nähte nicht ordentlich sind und die weiß bestickten Servierschürzen durch Flecken von kleinen, schmutzigen und irgendwie gar nicht dazu passenden Kinderfingern verunreinigt sind, an strenge, tadelnde Blicke von Handarbeitslehrerinnen. Vor allem aber: Es läuft mir ein Schauer des Grauens über den Rücken."


Ich selbst habe auch meine Probleme mit den Vertertern der Achtsamkeit. Die meisten, die sie fordern, tun dies meiner Erfahrung nach gerade dann, wenn sie gerade irgendwem auf dem Gemüt herum getrampelt haben...


Wieder so eine moralistische Machstrategie, bei der eine Methode wichtiger ist als das Ergebnis. Achtsamkeit als Technik, die ihren Verwaltern eine Definitionsmacht verspricht, statt Achtung von anderen Menschen, die nicht extra proklamiert werden muss, sondern sich im Handeln zeigt. Oder eben auch nicht...