Angst, Mode und Hysterie-Produktion

Vor einigen Jahren wurde ich für das Magazin "Kulturzeit" auf 3Sat zum Thema Angst vor Hühnern interviewt. Damals grassierte gerade die Vogelgrippe, und die Medien berichteten ausgiebig über die Gefahren, die von ihr ausgingen.


Ein mir ganz gut bekannter Privatbankier aus der Schweiz erzählte mir, er habe für eine Million Franken Mundschutze (-schütze? - wie ist der Plural?) gekauft, um seine Mitarbeiter im Falle eines Falles arbeitsfähig zu halten. Er war mir nicht dankbar, als ich ihm sagte, aus meiner (d.h. medizinischer) Sicht sei das rausgeworfenes Geld.


In dem Interview bei in 3Sat vertrat ich die These, dass diese Hysterie wegen der Hühner lächerlich sei...


Wenn man ein wenig zurück blickt, dann zeigt sich, dass es Moden der Angst gibt, die in regelmäßigen Abständen entstehen, um dann auch regelmäßig nach relativ kurzer Zeit wieder zu vergehen und vergessen zu werden: von BSE bis zu den Terroristen jetzt.


Ich finde, die belgische Regierung ist ziemlich bekloppt, wenn sie jetzt Brüssel lahm legt, weil ein Terrorist, der in Paris dabei war, noch frei rumläuft. Das Problem mit der höchsten Terrorwarnstufe ist ja, dass man nicht nur einen Grund für ihre Ausrufung braucht, sondern auch einen für ihre Beendigung... Und wenn man kein Ereignis präsentieren kann - z.B. einen "Gefährder" (neu in meinem Wortschatz) gefangen oder getötet zu haben - dann steht man auf dem Schlauch.


Ich persönlich halte diese Terrorhysterie jetzt für eine weitere Mode, die von den Medien begeistert gepusht wird, weil man mit und über Angst natürlich am leichtesten die Aufmerksameit des Publikums gewinnt. So tragisch der Pariser Anschlag für die Betroffenen ist - 130 Tote und nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Angehörigen zerstört - so gering ist die Zahl der Toten, absolut gesehen bzw. in Relation zu anderen Gefährdungen. Der Epidemiologe meines Vertrauens hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass täglich in Deutschland so viele Menschen durch vermeidbare (!) ärztliche Fehler ums Leben kommen wie es dem täglichen (!) Absturz eines voll besetzten Jumbo-Jets entspricht.


Sollten wir jetzt den Krieg gegen Ärzte ausrufen?


Nein, natürlich nicht.


Aber wir sollten auch nicht hysterisch auf die Terrordrohungen reagieren. Wenn es mich bei einem Terroranschlag erwischen sollte, so werde ich das - auf Wolke 7 sitzend - als Unfall abbuchen. Shit happens.


Auf jeden Fall scheint es mir keine gute Idee, um vermeintlicher Steigerungen der Sicherheit willen die bürgerlichen Freiheitsrechte so einzuschränken, wie dies nach 9/11 in den USA geschehen ist.


Und ich finde, man sollte in der Schule lehren, sich kritisch mit Angstcampagnen auseinander zu setzen, und den Schülern beibringen ruhig Blut zu bewahren, wenn wieder irgendwo Hühner oder andere Islamisten anfangen zu spinnen.