Begegnungen mit Spencer-Brown II (Vorgeschichte, Fortsetzung)

1984 und 1985 habe ich dann mit Faszination und Schrecken immer wieder die LoF gelesen. Oder besser: in den LoF gelesen. Den mathematischen Teil habe ich nur begrenzt verstanden, aber das Prinzip der Unterscheidung kannte ich ja schon aus meinen eigenen Artikeln über präverbale Strukturen der Logik. Es war offensichtlich, dass GSB da ein antizipatorisches Plagiat meiner eigenen Ideen zu Papier gebracht hatte. Nur, dass er das weit konsistenter gemacht hatte und mit mehr Fachverstand im Blick auf logische Strukturen. Und ich bin mir - nach jetzt vielleicht sieben oder achtmaliger Lektüre der LoF - immer noch nicht sicher, ob ich bei Spencer-Brown nicht immer nur das verstanden habe, was ich eh schon selbst erfunden hatte (aber vielleicht gilt das ja für alles Verstehen).


Auf jeden Fall habe ich die LoF zur Grundlage meiner Habil-Arbeit gemacht, in der mich vor allem die Eigen-Logik schizophrenen Denkens interessierte bzw. deren Kopplung mit spezifischen familiären Interaktionsmustern (siehe "Unterschiede, die Unterschiede machen", Suhrkamp Verlag). Im Verlauf des Schreibens spielte ich mit dem Gedanken, die LoF ins Deutsche zu übersetzen, diskutierte die Frage mit Heinz von Foerster (mit dem ich damals in Palo Alto auf Einladung von Paul Watzlawick einen gemeinsamen Sommerkurs gab), und wies mich auf einen offenbar am selben Thema interessierten jungen Mann in Bielefeld namens Dirk Baecker hin. Ich nahm aber von der Übersetzungsidee Abstand (aus der Einsicht in die genannten mathematischen Inkompetenzen), die mir die Übersetzung als zu schwer erscheinen ließ...


Nach Publikation meiner Habilarbeit kümmerte ich mich zunächst erst mal nicht mehr um Spencer-Brown, ja, ich war froh, dass ich all diesen Wissenschaftskram hinter mir lassen konnte, und fuhr für ein halbes Jahr in die Südsee (wo ich allerdings die LoF nicht loswurde, da ich dort "Meine Psychose, mein Fahrrad und ich" schrieb, das letztlich auch auf GSB's Kalkül beruht).


Anfang der 90er Jahre wurde Spencer-Brown in weiteren Kreisen diskutiert. Und Dirk Baecker lud mich zu einer von ihm und den Bielefelder Luhmannianern organisierten Tagung zu den LoF in Hamburg ein (wir saßen mehrere Tage um eine großen Tisch, haben nur geredet und uns körperlich nur beim Essen bewegt - die Kiefer). Von den ca. 15 - 18 Anwesenden hatten m.E. nur etwa ein Drittel Spencer-Brown gelesen. Luhmann gehörte zu diesem Drittel. Ergebnis dieser Tagung waren zwei Bücher, die Dirk Baecker herausgegeben hat ("Probleme der Form" und "Kalkül der Form", Suhrkamp). Außerdem entstand auf dieser Tagung die Idee der "Autobahnuniversität", d.h. Luhmanns Vorlesung zur "Einführung in die Systemtheorie" auf Band aufzunehmen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


In dieser Zeit konnte man diejenigen, die Spencer-Brown nicht im Original gelesen hatten, von den tatsächlichen Lesern immer daran unterscheiden, dass sie Spencer für den Vornahmen hielten und daher im Literaturverzeichnis seine Arbeit folgendermaßen zitierten: "Brown, G. S.: Laws of Form..." ...


Da man nicht viel von ihm wußte, wurde unter Eingeweihten diskutiert, ob es diesen Menschen wirklich gäbe oder ob er nur eine Fiktion sei. Einige meinten, Spencer-Brown sei nur ein Alias für Carl Auer (eine Theorie, die ich sofort verwerfen konnte, angesichts meiner wirklich sehr engen Beziehung zu Carl).


All dies ist Vorgeschichte; ihre Darstellung scheint mir aber notwendig, weil nur so erklärbar ist, wie ich auf die wahnwitzige Idee kommen konnte, George aufzuspüren und nach Heidelberg einzuladen (wo er dann 1994 für mehrere Monate lebte).