Brexit Ruling

Ein Londoner Gericht hat geurteilt, dass der Brexit nicht ohne Zustimmung des Parlaments allein aufgrund einer Volksabstimmung erklärt werden kann. Das oberste Gericht wird im Dezember darüber entscheiden, ob dieses Urteil Bestand hat.


Die Reaktion der britischen Tobloids ist: "Feinde des Volkes" - so werden die Richter, teilweise mit Foto abgebildet, tituliert.


Nun sind die Briten eine unsägliche Presse gewohnt, und man sollte solche Sprüche nicht zu hoch hängen. Aber Anlass über die Stellung des Rechstsystems gegenüber "dem Volk" nachzudenken, scheint mir das allemal.


Zivilsation besteht in der Errichtung eines staatlichen Gewaltmonopols und der Etablierung eines Rechtssystems, das dafür sorgt, dass nicht immer der Stärkste sich durchsetzt, sondern die Entscheidung von Konflikten nach anderen Kriterien - denen des Rechts - getroffen werden. In der britischen Demokratie, entsprechend der gelebten, wenn auch nicht schriftliche fixierten Verfassung, gehört dazu auch, dass Entscheidungen, die das Leben der Bevölkerung betreffen, vom Parlament zu treffen sind. Aus gutem Grund haben Plebiszite nur eine konsultatorische Bedeutung. Wenn also das Parlament eingeschaltet werden muss, ist dies eine Versicherung in den Rückfall vorzivilisatorischer Verhältnisse.


Wenn nun die Richter als Volksverräter gebrandmarkt werden, so ist das ein Angriff auf den Rechtsstaat, m.E. eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften des Westens. Es soll wieder das Recht des Stärkeren - hier dessen, der die Presse beherrscht, der Populisten, die auf den Schwachsinn und die Aufgeregtheit des Volkes setzen usw. - eingeführt werden. Atavismus. Das sehen wir gerade in der Türkei, in Polen und Ungarn sind diese Tendenzen ebenfalls zu beobachten. Armes Europa.


Ob man nun für oder gegen den Brexit ist, Konsens unter den britischen Demokraten müsste sein den Rechtsstaat zu verteidigen. Wenn das die konservative Regierung - nach dem höchstrichterlichen Urteil im Dezember - nicht tun sollte, dann sollte diese Partei sich lieber in einer Bananenrepublik zur Wahl stellen.


Wenn wir ein weltweites Gewaltmonopol und ein funktionierendes Rechtssystem hätten, dann gäbe es in Syrien und der Ukraine keinen Krieg, sondern einige interessante Prozesse, die auch im Fernsehen angenehmer anzuschauen wären als das Gemetzel ... Blütenträumen.


Dass diejenigen, die sich für die Stärksten halten, gegen solch eine Verrechtlichung internationaler Konflkte bzw. Konfliktlösungen sind, ist nicht erstaunlich, schließlich könnten sie dann nicht mehr auf das "Recht" der Stärkeren setzen, wenn es zu Interessenkonflikten kommt.