Das Elend der SPD

Was gestern beim Sonderparteitag der SPD (vielleicht nur mir) auffiel, ist, dass von den ehemaligen, noch lebenden Parteivorsitzenden nur Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine fehlten. Mit diesen beiden Namen ist m.E. der Niedergang der SPD als Volkspartei verbunden. Man könnte auch sagen, dass er mit der Agenda 2010 begann.


Damals, als sie beschlossen wurde, war die SPD (mit den Grünen) an der Regierung. Die wirtschaftliche Lage im wiedervereinigten Deutschland war nicht sonderlich gut. Auf dem Titelblatt des Economist wurde Deutschland als der "Kranke Mann Europas" bezeichnet. Vor der Berliner Volksbühne wurde das Deutsche Depressionsbarometer installiert...


Dann wurde die Agenda 2010 beschlossen, mit der eine nicht-sozialdemokratische Politik durchgesetzt wurde, die der CDU oder FDP alle Ehre gemacht hätte. Gerhard Schröder hatte sich als der "Genosse der Bosse" bewiesen. Eine neoliberale, das Selbstverständnis der SPD zutiefst erschütternde Wende in der Politik der Partei. Es kam zur Spaltung, große Teile der Aktivisten der Partei traten aus, gründeten eine eigene Splitterpartei, die sich dann mit der ehemaligen SED zur Linken vereinigte. Oskar Lafontaine trat ebenfalls aus und wurde einer der Linken-Chefs. Statt den Konflikt intern zu prozessieren und zu diskutieren, grenzte sich die eine Seite aus bzw. wurde ausgegrenzt. Konflikte sind aber eine potenziell produktive Kommunikationsform, weil sie unterschiedliche Perspektiven gegeneinanderstellen und - im Idealfall - zu intelligenten Entscheidungen führen (können). Die Abspaltung führte - krass formuiert - zur Verblödung der Partei, weil ein wichtiger Aspekt (die sozialen Folgen der Hartz-Reformen) ausgeblendet wurde.


Als Folge der Agenda 2010 verlor die SPD die Kanzlerschaft, Frau Merkel wurde gewählt, die deutsche Wirtschaft, die innerhalb Europas nun zu lumpigen Tarifen produzieren konnte und damit ganz Europa unter Kostendruck setzte und zur Verelendung des Südens beitrug, florierte. Das führte zwar zur Vollbeschäftigung, aber nicht zur Mehrung des Wohlstands der Bevölkerung, da die Produktivitätsgewinne nicht an sie verteilt wurden, sondern in den Taschen der Eigentümer landeten. Dass es der Wirtschaft so gut ging, war zwar Folge der Politik Schröders, wurde aber Frau Merkel zugerechnet.


Vor vier Jahren wäre eine rot-rot-grüne Koalition möglich gewesen. Die Chance wurde verpasst - aus Berührungsangst mit der Linken und Oskar. Jetzt müht sich die SPD damit ab, in den Koalitionsverhandlungen Massnahmen wieder zu beseitigen, die sie selbst bzw. die Schröder-Regierung durchgesetzt hat. Tragisch.


Die SPD wird sich nur erneuern können, wenn sie sich wieder als parteilich zeigt. Sie muss sich wohl oder übel entscheiden, wessen Interessen sie vertreten will. Das heißt nicht, dass ihr der Weg zurück zur alten Arbeiterpartei offen stünde, denn diese Klientel gibt es nicht mehr. Aber sie wird eine Gesellschaftsidee entwickeln müssen, mit der sich möglichst viele Menschen identifizieren können, weil sie in solch einer Gesellschaft leben wollen. Dann werden sie sich auch (wieder) von der SPD vertreten fühlen.