Fremde Ordnungen 2

In Berlin sind die Hausnummern für Fremde ziemlich verwirrend, denn im einen Stadtteil sind die geraden Hausnummern auf der einen Strassenseite, die ungeraden auf der anderen Seite der Strasse zu finden. Im nächsten Viertel sind die Häuser fortlaufend nummeriert. Im einen beginnen sie bei eins gehen dann so weit, wie sie gehen, und auf der anderen Seite wird dann in umgekehrter Richtung weiter gezählt. Deswegen kann dann das Haus Nr. 267 genau gegenüber von Haus Nr. 1 liegen. Aber auch darauf ist kein Verlass. Man muss sich also in jeder Straße neu orientieren, in welcher Richtung und nach welchem Prinzip man sein Ziel zu suchen hat.


Das ist in Venedig etwas anders. Hier gibt es zwar auch Strassennamen, aber die Hausnummern haben keinerlei Bezug zu den Strassen. Es sind Hausnummern im buchstäblichen Sinn. Nun sind nicht einfach die Häuser Venedigs durchnummeriert - was ja auch denkbar wäre - das wäre der absolute Härtefall. Denn man hätte keinerlei Anhalt, wo man welches Haus suchen soll. Nein, hier gibt es auch Untereinheiten (Subsysteme), aber die sind umfassender als Straßen. Es gibt insgesamt sechs Stadtteile, die logischerweise nicht Viertel heißen, sondern Sestiere. Dagegen sind bei uns die Städte in der Regel in Dutzende von Vierteln aufgeteilt, was jedem Gefühl für Bruchrechnung Hohn spricht. Also, es gibt in Venedig sechs Sestiere, und in diesen Stadtteilen sind die Häuser durchnummeriert.


Solch eine Nummerierung hat den Vorteil, dass sie den sozialen Kontakt fördert. Man muss viel fragen.


Ein wieder anderes System der Nummerierung von Häusern findet man in Palo Alto. Das MRI hat, wenn ich mich recht erinnere, die Hausnummer 555, Middlefield Road. Aber hier hat man - amerikanische Größenideen - gleich bei den Hundertern mit dem Zählen angefangen und ist großzügig, was die Vollständigkeit der Zahlenreihe angeht. Das heißt, dass es keine Nummer 554 oder 556 gibt, sondern die Nachbarhäuser irgendeine Nummer haben, z.B. 530 oder 590 (ich weiss nicht mehr genau), und es riesige Mengen unbenutzter Nummern gibt. Das einzig Zuverlässige scheint dort zu sein, dass die höheren Nummern hinter den niedrigeren kommen. Aber auch das reicht offenbar aus, um sich zu orientieren.


Und man muss nicht fragen. Wahrscheinlich entspricht diese grobe Einteilung dem Differenzierungsgrad der Wahrnehmung, wenn man mit dem Auto sucht.


Und in Chiba, einer Millionenvorstadt von Tokyo, in der ich auch mal die Hausnummern studiert habe, verfügen die Häuser über gar keine Nummern, und Straßenschilder gibt es auch nicht.


Man braucht auf jeden Fall jemanden, der weiss, wo man hin will. Und er muss einen in der Regel eingeladen haben, sonst findet man bestimmt nicht. Im Normalfall holt er einen ab - an der Bahn, am Flughafen...