Haltung

Es ist ja - nicht nur unter Systemikern - beliebt, sich auf eine spezifische "Haltung" zu berufen. Und ich verstehe ja auch, was damit gemeint ist. Trotzdem bin ich persönlich höchst misstrauisch gegenüber diesem und ähnlichen Begriffen, weil sie sich auf etwas berufen, was nicht direkt mehreren Beobachtern zugänglich ist: (unterstellte) psychische Prozesse und Strukturen.

Ich halte, wenn es um politische Fragestellungen geht - und Beratungs-, Therapie- und Managementmethoden gehören für mich in diesen Bereich - mehr davon, das Verhalten von Menschen zu beobachten bzw. seine Effekte. Entsprechend bewerte ich dann auch nicht eine Haltung (mit dem Begriff  wird Verhalten erklärt), sondern das Verhalten bzw. seine Wirkung (soweit die beobachtbar ist).

Wer sich auf seine Haltung beruft, um damit sein Verhalten zu begründen, verlangt letztlich immer mildernde Umstände, statt die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Insofern gehört für mich der Begriff Haltung in dieselbe Kategorie wie Geisteskrankheit.

Deswegen neige ich dazu, die Berufung auf Haltung als das "orthopädische Modell der Beratung/Therapie" zu disqualifizieren. Ich schau mir an, was wer tut und ob die Wirkungen positiv oder negativ zu bewerten sind (nach meinen Maßstäben, selbstverständlich), und dann bin ich auch bereit, mich mit anderen darüber auseinanderzusetzen.

Ähnliches gilt m.E. für die Berufung auf "Werte". Auch da vermute ich Trickbetrüger am Werk.


Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass es höchst spannend und relevant ist zu untersuchen, welche Denk- und Fühlmuster einen konkreten Menschen in einem konkreten sozialen Kontext dazu bringen, sich auf die eine oder andere Weise zu verhalten; und natürlich auch: seine eigenen Wirklichkeitskonstruktionen, Bewertungsmaßstäbe, Macken usw. zu reflektieren.