Jetzt

Jetzt sind wir an der Reihe mit dem Block (Bedeutung 2c: „interruption of normal function of body or mind“ Webster’s New Encyclopedic Dictionary), wollte sagen Blog! Obgleich – blockiert konstruktivistisches Denken nicht in gewisser Weise den realistischen Hausverstand, das monokausale, lineare Denken. Ja, ich würde fast sagen, dass der konstruktivistische Gedanke gerade durch diese seine Blockwirkung Sprengkraft hat. Der Geist, er steht an, „versteht“ die Welt nicht mehr (die Welt, sie spricht nun einmal nicht zu uns, sie zwingt uns keine Betrachtungsweise, keine Deutung auf) – und hüpft schließlich aus den eingefahrenen, von klein auf antrainierten, realistischen Rillen, der realen endless-loop, wagt den Sprung hinein in das wilde Leben.

Und dabei sind wir noch nicht einmal Konstruktivist(in), aber das wird es noch zu erörtern geben.


Wir, das sind jedenfalls Ich und mein anderes Ich, das sind all jene bunten Stimmen, die sich zu einem Chor vereinen, sich zu harmonischem Sound formieren, welcher über raffinierte Fingerbewegungen in schwarze Girlanden übersetzt wird – no risk, no fun. Will sagen: Wie Sie, meine verehrten Leser, diese meine Striche und Punkte mit Bedeutung verzieren, liegt nur bedingt in meiner Hand. Noch dazu wo wir Sie gar nicht sehen können, Sie nicht riechen oder spüren können. Ihren Kontext nicht kennen. Schriftliches bedarf nicht selten der mündlichen Nachbearbeitung, nur um sicher zu gehen...Ich denke, das ist der wahre Grund, weshalb das Telefon entwickelt wurde, und in seiner Weiterentwicklung i-chat.


Nun, jetzt sind also wir an der Reihe. Und so macht es vielleicht Sinn, das Jetzt zum Thema dieses Blogs zu machen. Gedanken erstrecken sich in der Zeit. Jemanden aufzufordern, nicht zu denken, ist mindestens genauso absurd wie jemand zur Aufgabe der Zeit zu motivieren. So ist der Gedanke nicht nur Zeit verursachend, sondern auch das Hindernis, um sich der Konstruktion „Zeit“ bewusst zu werden.

Das Morgen und das Gestern – sie entstehen nur dadurch, dass wir sie herbei denken, unsere Gedanken in die Vergangenheit oder eben in die Zukunft richten. Vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet ist das „Morgen“ ebenso wenig präsent wie das „Gestern“. Alles, was da ist, ist das „Jetzt“ – aber kaum formen wir es (im Geiste), ist es eben schon wieder vergangen.


Das Gegenwärtige, das Jetzt, wurde schon vielfach in der Philosophiegeschichte erörtert. Augustinus etwa – gerade im Zusammenhang mit Abhandlungen über die Zeit gerne zitiert – schreibt im elften Buch der Bekenntnisse so treffend wie vergeistigt:


*„Aber auf welche Weise sind denn diese beiden Zeiten, die Vergangenheit und die Zukunft, wenn doch das Vergangene schon nicht mehr und das Zukünftige noch nicht ist? Eine Gegenwart aber, die immer gegenwärtig bliebe und nicht überginge in die Vergangenheit, wäre nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit. Wenn also die Gegenwart nur dadurch Zeit ist, dass sie in die Vergangenheit übergeht, wie können wir von ihr sagen, sie sei, wo doch der Grund ihres Seins der ist, dass sie nicht sein wird? So können wir in Wahrheit von der Zeit nur sagen, sie sei, weil sie zum Nichtsein übergeht.“*


Das „Jetzt“ ist, wie mir scheint, nur deshalb so schwer zu begreifen, weil der Gedanke daran, es bereits in die Vergangenheit befördert. Ich denke also, ich muss fürs Erste das Bloggen für einen Moment blockieren. Oder vermag auch das schwungvolle Tippen, dieser sanfte Klang meiner Tasten, ein Jetzt-Erlebnis ermöglichen? Mir scheint fast, dass das der Fall ist...und so will ich nun – oder vielleicht auch erst morgen (was macht es aus jetziger Perspektive schon für einen Unterschied?) – mit dem Bloggen beginnen...