Lob des Diktators

Wenn man sich die Lage in Libyen anschaut oder im Irak, ja, auch in Syrien, so kommt man zu dem Schluss, dass es für bestimmte Gegenden der Welt und in bestimmten Phasen der historischen Entwicklung ganz gut ist, wenn Länder von einem Diktator regiert werden.

Libyen unter Gaddafi war sicher kein Land, in dem ich oder irgendeiner meiner Bekannten leben wollte. Aber jetzt, nachdem Gaddafi aus der Welt geschafft worden ist, stellt sich die Lage noch weniger lebenswert dar. Es gibt einen gewalttätigen Kampf um die Macht zwischen vielen Untergruppen, Stämmen, Fraktionen, Milizen ... Und der dürfte noch lange dauern, wahrscheinlich Jahre oder gar Jahrzehnte. Dasselbe gilt für den Irak und Syrien.

Man kann ja wahrscheinlich froh sein, dass in Ägypten das Militär die Herrschaft übernommen hat...

Die Erklärung für die Dysfunktionalität westlicher Interventionen im Irak wie in Libyen ist, dass die Beseitigung eines absoluten Herrschers leider nicht automatisch dazu führt, dass das so enstehende Machtvakuum durch funktionierende staatliche (gar demokratische) Strukturen gefüllt wird. Stattdessen kommt es zum Machtkampf.

Eine der Funktionen von Hierarchie besteht eben darin, Machtkämpfe zu verhindern. Wenn sie beseitigt wird, dann bricht der Kampf um die Herrschaft nahezu zwangsläufig aus...

An die Stelle eines Diktators könnten natürlich auch hierarchische Strukturen treten, die durch das Gewaltmonopol des Staates für eine funktionierende Macht sorgen, ohne dass sie an eine Person gebunden ist, sondern durch wechselnde Rolleninhaber im Sinne eines demokratischen SYstems ausgeübt wird. Aber der Weg dahin ist lang. In Europa hat er ein paar Hundert Jahre gedauert - und dass bei uns dat Janze erst seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts einigermaßen funktioniert, sollte keiner vergessen.

Militärisch herbeigeführter Regimewechsel von außen ist auf jeden Fall nur dann eine Option, wenn man bereit ist, die Kosten zu tragen: entweder den Bürgerkrieg ertragen oder auf Dauer mit militärischer Macht eine aufgezwungene politische (evtl. demokratische) Ordnung stabilisieren...