Nizza

Wieder ein Terroranschlag, wieder zig Tote. Schrecklich.


Was ist die Motivation, so etwas zu tun? Die Antwort scheint mir nicht einfach, denn es handelt sich ja um ungezielte Gewalt, die sich ihre Opfer nicht ad personam sucht, sondern dem Zufall oder dem Schicksal überlässt, wer getötet wird.


Wut und Aggressivität, die blindlings agiert.


Anders als bei Attentaten auf "Machthaber" kann es also nicht um die konkreten Personen gehen, die als Opfer am Straßenrand liegen bleiben.


Mir ist nicht klar, was die erhoffte Wirkung solcher Anschläge ist. Verunsicherung? Klar, das gelingt - allerdings nur vorübergehend, denn auch solche schrecklichen Ereignisse werden relativ schnell vergessen. Wer erinnert sich noch an die Anschläge in der Londoner U-Bahn, wenn er dort in einen der vollbesetzten Wagen steigt? Wer denkt an Brüssel oder Instanbul (noch nciht so lange her), wenn er am Frankfurter Flughafen ist (war Montag und Dienstag dort und habe, wie wahrscheinlich die meisten Leute, keinen Gedanken an die Gefahr eines Anschlags verschwendet), usw.


Es geht ja - jenseits der sicher als pathologisch zu bezeichnenden individuellen Motive - offenbar darum, eine bestehende Ordnung, die überall auf dem Vertrauen, dass die Mitmenschen sich mehr oder weniger friedlich verhalten, als Mechanismus der Komplexitätsreduktion basiert, in Frage zu stellen. Das mag ja gelingen - allerdings immer nur für kurze Zeit, wenn nicht weitere Terrorakte erfolgen. Wenn nicht an die Gefahr erinnert wird, wird sie vergessen. Die Folge kann aber auch sein, dass die Kontrolle erhöht wird (siehe Fluggastkontrollen) und durch ständigen Terror der Staat immer autoritärer und suppressiver wird. Ist das das Ziel? Das ist m. E. das einzige Ziel, für dessen Erreichen mit diese Art von Gewaltanwendung "nützlich" erschiene. Ansonsten gilt, dass mit dem Zerstören einer gegebenen Ordnung nie gesagt werden kann, welche an ihre Stelle tritt. Insofern kann man den Terroristen wohl keine durch irgendwelche überprüfbaren, konreten Merkmale definierte Vision von Gesellschaft unterstellen.


Aber, so schrecklich all dies für die unmittelbar Betroffenen ist, die Annahme, dass durch so etwas die westliche Kultur und Gesellschaftsordnung in Frage gestellt werden könnte, ist verwegen bis albern. In der Hinsicht sind die Regeln eines ungebändigten Kapitalmarktes wahrscheinlich gefährlicher als noch so viele Terrorakte...