Obama in Kenya

Gestern Vormittag hat Barack Obama in einer Turnhalle in Nairobi eine Rede gehalten, die aus dem Rahmen fiel. Denn er hat, was bei Staatsbesuchen unüblich ist, die Verhältnisse in seinem Gastland kritisch kommentiert. Was ein diplomatischer Faux pas hätte sein können, wurde relativ freundlich aufgenommen, weil er sich als Sohn des Landes definierte - und so auch in der kenyanischen Öffentlichkeit betrachtet wird. Seine Kritik kam also - kollektiv umgedeutet - nicht von außen, sondern von innen.

Ein zweiter Faktor, warum seine Worte leichter annehmbar erschienen, war, dass er zunächst eine Ja-Haltung zu erzeugen versuchte und bei jedem Kritikpunkt damit begann Kenyas Entwicklung und Fortschritte zu preisen, um dann über Korruption und Vetternwirtschaft - die es auch in allen anderen Staaten gäbe, er fügt Beispiele aus seiner Heimatstadt Chicago an - zu sprechen. In einfachen Beispielen führt er aus, welcher Schaden angerichtet wird, wenn irgendjemand Inkompetentes aufgrund von Beziehungen eingestellt wird: Unternehmen sind weniger erfolgreich, Stellen andere Leute gehen verloren usw. Und wenn an der Spitze des Staates jemand seinen Schnitt macht, dann geht das der Volkswirtschaft, der Entwicklung von Strukturen usw. verloren.

Den Verweis auf Traditon akzeptiert er nicht als Begründung für Mißstände. "Dass etwas Tradition ist, heißt nicht, dass es gut ist!" Hier setzt er sich mit der Benachteiligung von Frauen, ihrer Beschneidung, der Unterdrückung in der Familie usw. auseinander. "Wenn eine Mannschaft nur mit dem halben Team auf dem Spielfeld erscheint, kann es nicht gewinnen!"

Und, das scheint mir in der gegenwärtigen Migrationsdebatte wichtig, er verweist darauf, dass Kenya es allein schaffen kann - und letztlich muss - lebenswerte Verhältnisse im eigenen Land zu schaffen, statt die Hoffnung zu nähren, dass individuell woanders besser gelebt werden kann.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, falls er kandidieren würde und jetzt Präsidentenwahlen in Kenya wären, dass Barack Obama gewählt würde. Er hat es ja auch in den USA nur sehr begrenzt geschafft, sich den Beharrungskräften entgegen zu stellen. Soziale Systeme sind nun einmal generell extrem konservativ.