Odenwaldschule

Gestern Abend lief in der ARD ein (Spiel-)Film über die Odenwaldschule. Was, wie ich finde, gut an dem Film war (der zwar gut informiert, aber doch kein Dokumentorfilm, sondern Fiction war), ist, dass der Hauptübeltäter von Ulrich Tukur gespielt wurde: kein Monster, sondern ein sympathischer Mensch.


Bei der Diskussion über die Odenwaldschule oder ähnliche Einrichtungen, in denen es ebenfalls zum Mißbrauch der Schüler gekommen ist, scheint mir ein Problem, dass der Fokus der Aufmerksamkeit meist auf Personen gerichtet ist. Was die Opfer betrifft, scheint mir dies angemessen, was die Täter betrifft, so erscheint mir dies zu simplifizierend. Dass es in derartigen Schulen zu Übergriffen kommt, lässt sich m.E. nicht allein durch die Persönlichkeitsstrukturen der Täter erklären, sondern auch - ja, wahrscheinlich mehr noch - durch diesen Typus von Organisation: der totalen Institution. Seit Goffmann ihn analysiert hat ("Asyle") sollte jeder wissen, dass hier mit großer Wahrscheinlichkeit alle nur denkbaren Schweinereien passieren...


Psychiatrischen Anstalten sind ein Beispiel. Als ich in den 70er Jahren in solch einer Anstalt arbeitete, kam auch gab es einen internen Miniskandal (die Öffentlichkeit erfuhr nichts davon), dass chronische Patienten von Pflegern sexuell missbraucht wurden. In Asylantenheimen werden die Bewohner von irgendwelchem obskuren Wachpersonal wie in Abu Graib mißhandelt.


In solchen Instiutionen gibt es keine Unterscheidung zwischen Privatleben und dem in der Organisation. In Internaten wie der Odenwaldschule sind die Schüler ebenfalls 24 Stunden am Tag ihren Lehrern, die auch noch Oberhaupt ihrer "Familien" sind, ausgeliefert. Die Machthaber haben totale Macht.


Totale Institutionen sind "an sich" kaum mehr mit demokratischen Werten vereinbar... Man muss sie durch irgendwelche Checks-and-Balances zivilisieren... Wo die Kontrolle versagt, hängt es wirklich nur noch vom Verantwortungsbewußtsein der beteiligten Akteure ab, ob diese Institutionen Himmel oder Hölle sind.