Zurück zum Primat der Politik

Die Tendenz, populistische, starke Männer zu wählen, mag, wie im unten zitierten Artikel aus der Zeit analysiert, für einen Trend zum Autoritären stehen.


Ich denke, dass diese Analyse aber noch nicht ausreicht, weil m.E. der Trend zu den starken Führern lediglich ein Symptom ist. Es geht auch nicht um Flüchtlinge oder fremde Kulturen bzw. den Islam, sondern dies dürfte nur die Konkretisierung und Personalisierung eines erlebten Mißstandes sein, der andere Ursachen hat.


Was wir jetzt erleben, ist die Spätfolge der Reagenschen und Thatcherschen und auch Clintonschen und Schröderschen Deregulierungspolitik im Sinne des Marktfundamentalismus. Die Politik, deren Aufgabe es als Funktionssystem ist, einen bindenden Rahmen für die anderen Funktionssysteme wie Wirtschaft, Recht, Wissenschaft etc. zu setzen, hat zugunsten der Wirtschaft abgedankt. Der Markt entscheidet seither, nicht die Politik oder gar die Wähler. Konsequenz ist, dass die Interessen der global agierenden Konzerne die Prämissen der Entscheidungen leitete. Die Hierarchie ist verdreht.


Auf diese Weise kann sich kein einzelner Bürger mehr darauf verlassen, dass die Politik ihn - als Mitglied einer sozialen Überlebenseineit - und seine Interessen im Blick hat, sondern er wird der globalen Konkurrenz ausgesetzt. Das hat zu einer großen Zahl von Verlierern geführt, die sich nicht mehr durch die Politik bzw. die Politiker vertreten sehen.


Es geht dabei weder um rechts oder links noch um Obergrenzen und Zäune. Der Ruf nach den starken Männern (oder Frauen wie in Frankreich) steht meines Erachtens für den Wunsch nach der Rückkehr des Primats der Politik. Deswegen gibt es auch zu Recht jede Menge Widerstand gegen TTIP (deren geplante Schiedsgerichte symbolisch für die Machtübernahme der Konzerne steht), und die Aggression gegen Flüchtlinge lässt sich dadurch erklären, dass kein Vertrauen bei der Bevölkerung mehr besteht, dass die "etablierten Parteien" ihre Interessen vertreten. Der Volkwirtschaft geht es gut, dem "Volk" aber zu weiten Teilen nicht.


It' s the economy, stupid!


Dass allerdings FPÖ oder AfD hier Abhilfe schaffen, scheint mir ziemlich illusionär, denn die fordern teilweise ja mehr von dem, was den Karren in den Dreck gefahren hat (z.B. weniger Staat).


Quelle: Österreich: Sieg der neuen Autoritären | ZEIT ONLINE