Olaf Scholz: Kanzlerkandidatin

Es gibt langweilige Zeiten, in denen die Wähler sich nach einem Helden sehnen, der ihnen als ihr Führer (verpönter Begriff, aber die Sache wird nicht besser, wenn man stattdessen Leader sagt) zu erregenden Augenblicken und Momenten verhilft, in denen sie sich - mit ihm und seinetwegen (fast immer sind es Männer) -  großartig fühlen können, Teilhaber an einem geteilten Größenwahn, an einer Heldensage..


Und es gibt aufregende Zeiten der Unsicherheit, in denen die Wähler sich nach Ruhe, Berechenbarkeit und Langeweile sehnen. In solchen Zeiten leben wir seit einem halben Jahr dank Corona. Frau Merkel als Kanzlerin ist in der Beliebtheit bei der Bevölkerung in schwindelnde Höhen gestiegen: die Frau Merkel, nach welcher der Mangel an Charisma in der nach oben offenen Merkel-Skala gemessen wird (sie selbst kommt auf 6,24).


Olaf Scholz, der einen Wert von 8,0 in der Merkel-Skala erreicht, schien vor einem halben Jahr noch politisch auf dem Abstellgleis; nun ist er nun zum Hoffnungsträger der SPD geworden. Und kein Zweifel: Seine wichtigste Qualität ist seine Langweiligkeit. In diesen Zeiten ist dies wahrscheinlich das Beste, was man von einem Politiker sagen kann: Ein Mensch, der keinen Größenwahn zu haben scheint, keine manifeste narzißtischen Macke, kein Abenteurer. Jemand, dem man seinen Bausparvertrag anvertrauen würde und von dem man einen Gebrauchtwagen kaufen kann, ohne Sorge haben zu müssen, übers Ohr gehauen zu werden; aber sicher kein Reiseleiter bei einem Abenteuerurlaub.


Er ist - mit anderen Worten - der perfekte Nachfolger von Angela Merkel als Kanzlerin. Dass er ein Mann ist, kann ihm angesichts dieser Qualitäten verziehen werden.


Mir scheint (ohne alle Ironie, um hier keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen), er ist keine schlechte Wahl, um der SPD wieder ein wenig an Wählrstimmen zurückzugewinnen...