Theresa May in Florenz

Heute Nachmittag hat die britische Premierministerin in Florenz (vor zum größten Teil britischen Journalisten) eine Rede zu den Modalitäten des Brexit, wie sie ihn sich zur Zeit (d.h. das wandelt sich) vorstellt, gehalten. Florenz hat sie wohl gewählt, weil ja auch viele andere Fernsehsoaps an romantischen Orten handeln und die Leute sich gern an den Urlaub erinnern. Offensichtlich gilt das auch für Briten, denn die Rede schien in erster Linie an die heimische Bevökerung gerichtet. Sollte sie an die Regierungen oder die Bevölkerung der 27 restlichen EU-Mitgliedsstaaten gerichtet gewesen sein, so hat sie ziemlich sicher ihr Ziel verfehlt.


Es war ein Bild des Jammers, Frau May, die bei öffentlichen Auftritten immer etwas linkisch wirkt, bei dem Versuch zu beobachten, Enthusiasmus für die Möglichkeiten, die sich in einer wundervollen neuen Weltordnung für Groß-Britannien und die EU ergeben, zu wecken. Mir schien es komisch, Theresa May war auf verlorenem Posten. Es erinnerte mich - Paartherapeut, der ich mal war - an die fehlgeleiteten Versuche eines Mannes, der gerade Frau und Familie verlassen hat, um mit einer anderen Frau eine neue Familie zu gründen, seine verlassene Partnerin davon zu überzeugen, dass die gemeinsame Zukunft rosig sein wird, dass man beste Freunde bleiben sollte, ab und zu miteinander schlafen könnte, sich um die Sicherheit der Kinder kümmern könnte (auch wenn er sich leider nicht wirklich substanziell an den Kosten für sie beteiligen könne), dass man auch Weihnachten gemeinsam, beide Familien unter demselben Weihnachstbaum... usw.


Das Interessante an politischen Reden wie der von Frau May ist ja, dass sie meist auf einer abstrakten Ebene bleiben und auf diesem Level auch ein Konsens möglich scheint. Dem Wunsch, dass zwischen GB und EU auch in Zukunft freundschaftliche Beziehungen bestehen sollten, kann jeder zustimmen. Schwierig wird es, wenn es um die Konkretisierung geht. Hier eine Einigung zu finden, wird nur möglich sein, wenn Kompromisse gefunden werden. In der Hinsicht hat Frau May so gut wie nichts angeboten in der Rede, was aus Sicht der EU nicht sowieso als selbstverständlich erscheint: das finanzielle Verpflichtungen eingehalten werden, solange GB die Vorteile der Zugehörigkeit zum EU-Markt behält (in einer zweijährigen Übergangsphase). Die Rechte der EU-Bürger in GB? Keine Sorge, alles wird gut, die britischen Gerichte werden sich nicht dem Europäischen Gerichtshof unterwerfen... (Hä? Ja.)


Was die Briten immer noch nicht verstanden zu haben scheinen, ist m.E., dass sie keinen besseren Deal mit der EU erhalten werden, als den, den sie als Mitglied der EU haben. Hier müssten die GB-Politiker endlich ihrer Bevölkerung reinen Wein einschänken, dass sie sich mit der Brexit-Abstimmung ins eigene Knie geschossen haben. Der Versuch, durch die Rede in Florenz die Stimmung oder Bevölkerung auf neue Höhen zu führen, dürfte vergeblich gewesen sein. Dass die Verhandlungen über die Details der Trennungsregelung durch den von Theresa May gezeigten - wenig überzeugenden - Optimismus, was die gemeinsame gloriose Zukunft betrifft, einfacher geworden sind oder voran gebracht wurden, scheint mir schwer vorstellbar...