Varoufakis Irrtum

Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen über das EU-"Hilfsprogramm" (die Anführungsstriche sind hier nicht zufällig gesetzt) sind m.E. auch aus einer epistemologischen Sicht interessant. Es sind ja viele Wirtschaftswissenschaftler (z.B. Paul Krugman), welche die Austeritätspolitik - forciert von Deutschland - für wenig nützlich (um es milde auszudrücken) halten. Ich stimme ihnen zu. Der griechische Finanzminister Varoufakis ist ebenfalls Wirtschaftswissenschaftler und ist ebenfalls gegen die Austeritäts-Politik.


So weit, so gut...


Wenn man sich sein Agieren als Politiker anschaut, so wird deutlich, was ein Problem vieler Wirtschaftswissenschaftler ist - derselbe, warum die meisten mit ihren Vorhersagen so grandios scheitern: Sie folgen theoretischen Konzepten, die nicht "passen" (im Sinne Glasersfelds). Varoufakis, zum Beispiel, folgt der Spieltheorie. Ich erläutere ihre Grundprämissen nicht, sondern verweise als schlichtes Beispiel auf das "Prisoner-Dilemma" überall nachzulesen.


Das Problem der Spieltheorie ist, dass von den beteiligten Akteuren her und ihren Interessen gedacht wird. Alle konstruierten Erklärungen versuchen die Entscheidungen auf individuelle Kosten-Nutzen-Rechnungen zurück- bzw. vorauszurechnen (und damit den "homo oeconomicus" als anthropologische Konstante zu setzen).


Das ist aber Quatsch. Denn es geht - z.B. im Moment - nicht nur um die unmittelbaren Interessen der beteiligten Akteure, sondern um längerfristig wirksame und verpflichtende Spielregeln, die nicht erst aktuell bestimmt werden.


Das wird auch im Rahmen der Spieltheorie deutlich, wenn - wie exemplarisch von Axelrod in der "Evolution der Kooperation" gezeigt - der "Schatten der Zukunft" eingeführt wird. Dann sind nicht nur die individuellen aktuellen Interessen der Akteure von Bedeutung, sondern auch das Bewußtsein, dass man sich in Zukunft wieder begegnet, dass man Präzedenzfälle setzt, dass die sich entwickelnden Spielregeln für alle Beteiligten auf die Dauer akzeptabel sein müssen (wenn sie weiter mitspielen müssen) usw. Und dann bestimmen die Spielregeln der Kommunikation (= das übergeordente soziale System) weit mehr als die individuellen Kosten-Nutzen-Rechnungen die Prämissen der Entscheidungen und damit die konkreten Entscheidungen.


Wer hier meint, es handle sich um eine Pokerpartie, wo man mit der Beute abhauen kann, weil man den "Gegnern" nie wieder begegnet, irrt sich. Das wird Griechenland in den nächsten Tagen merken...


Schade eigentlich, dass solch offenbar intelligente Menschen solch idiotischen Modellen folgen.