Viren und andere Migranten
Die rigorosen Maßnahmen, die jetzt angesichts der Corona-Virus-Pandemie ergriffen werden, sind wahrscheinlich sachlich berechtigt. Die Abschließung ganzer Staaten und das Unter-Hausarrest-Stellen der eigenen Bevölkerung (wie in Italien) dürfte medizinisch geboten sein, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Dass diese Maßnahmen berechtigt sind, ist m.E. nicht in Zweifel ziehen; da ist die Meinung der Experten maßgebend.
Dennoch ist aber erklärungsbedürftig, warum diese Maßnahmen so wenig Widerspruch und (überwiegend) Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden scheinen.
Meine Hypothese ist, dass die Migrationsfrage bzw. die öffentliche Auseinandersetzung darüber während der letzten Jahre, in der genau solche „Lösungsmuster“ (Mauern bauen, Grenzen schützen, Fremde in „Quarantäne“-Lager sperren – nur länger halt - usw.) propagiert wurden, diese Art der Lösungsmuster popularisiert hat.
Denn – und das finde ich das eigentlich Erstaunliche – bei näherer Analyse wird deutlich, dass die Migrationsfrage wie Seuchenschutz diskutiert wurde. Und das ist Skandal und Idiotie zugleich!
Da gab und gibt es die Angst, dass Fremde (wahrscheinlich rammelnd wie die Kaninchen) sich in den „Volkskörper“ einnisten und damit die christlich-jüdische DNS der europäischen Leitkultur in Frage stellen. Wobei eine Vermehrungsrate wie bei Viren unterstellt wird, die zu exponentiellem Wachstum führt, so dass „wir“ zur Minderheit im „eigenen Land“ werden usw. (was natürlich blanker Unsinn ist) und Europa „islamisiert“ wird (=kulturell stirbt, „umgevolkt“ wird usw.).
Grenzen dicht machen, Isolation, das scheint die Lösung für beides: Migranten und Viren.
Donald Trump hat dies in seiner (schwachsinnigen) Rede aus dem Oval-Office sehr deutlich formuliert: „Ausländische Viren“ bedrohen die Gesundheit der US-Bürger, und die Mauer gegen Mexiko, das Einreiseverbot für Europäer und andere Chinesen wird helfen, die USA vor der Infektion mit fremden Erbmaterial zu schützen (denn Viren – das ist der Gipfel der Ironie, denn man könnte sich ja keine ethnozentrischere und biologistischere Metapher ausdenken – sind reines Erbmaterial, ausländisches eben…). Das Problem der weltweiten Migration ist aber keine Frage nationaler oder rassischer Hygiene.