WEG-Versammlungen

Jetzt hat gestern in Dossenheim (der Nachbargemeinde von Handschuhsheim, dem Stadtteil von Heidelberg, in dem ich lange gewohnt habe) bei einer WEG-Versammlung ein Mitglied mehrere andere erschossen.


Seit Jahren fordere ich, die Dynamik von WEG-Versammlungen endlich systematisch zu untersuchen. Ich persönlich kenne kaum andere Gelegenheiten, in denen heute noch Emotionen und Leidenschaften in vergleichbarem Maße produziert und gezeigt werden. Die Zwangsgemeinschaft von Eigentümern von Eigentumswohnungen schafft familienartige Beziehungen (d.h. man kann sich nicht aus dem Wege gehe, ist verdammt, Kosten, Lärm und Gerüche zu teilen, die andere verursacht haben, ohne dass - wie in manchen Familien - die "Stimme des Blutes" die Erregungen dämpfen könnte (was eh auch für Familien eine zweifelhafte Unterstellung ist - ganz im Gegenteil).


Es muss etwas damit zu tun haben, dass Eigentum Identität stiftend ist. Nicht ohne Grund steht im Englischen der Begriff property für Eigentum wie Eigenschaft. Man nimmt es sehr persönlich, wenn jemand nicht richtig mit dem Müll umgeht, Wasserschäden verursacht usw. Deswegen bilden WEG-Versammlungen, die in der Regel nur einmal im Jahr stattfinden (wie in Familien Weihnachten) und für die sich jeder allen Ärger des Jahres konserviert, einen sozialen Brennpunkt, sie liefern voraussehbare Krisen, die nur zu oft nah an der Gewaltausübung vorbeischrappen. Ich habe auf jeden Fall schon gesehen, wie gutbeleumundete Bürger solche Versammlungen verlassen haben, um sich einen Baseball-Schläger zu holen. Und den konnten sie nur deswegen nicht nutzen, weil sie zu Hause dann merkten, dass sie ihn nach der letzten Sitzung doch nicht gekauft hatten, wie sie eigentlich vor hatten. Ich vermute, dass wir bei Waffengesetzen wie in den USA Tausende von WEG-Toten hätten...


Also: Sozialforscher - ein Thema für Feldforschung, für eine Promotion, die gegen jeden Plagiatsvorwurf gefeit sein dürfte, weil es dazu (meines Wissens) noch keine Forschung gibt.