Aufschub der Prügelstrafe

Die Prügelstrafe für den islamkritischen saudischen Blogger Raif Badawi ist in dieser Woche ausgesetzt worden. Wie es bei Amnesty International heißt: auf Rat eines Ärztekomitees. Badawis sollte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, zumindest in dieser Woche nicht mehr geschlagen werden.


Es ist bekannt, dass jemand, der zu einer Strafe von 1000 Peitschenhieben verurteilt diese Strafe letztendlich nicht überleben kann.


Im Übrigen, die 1000 Peitschenhiebe werden in Dosen von wöchentlich jeweils 50 Hieben ausgeteilt.


Die letzten 50 Hiebe haben offensichtlich Badawi so sehr zugesetzt, dass sein Körper weitere Hiebe nicht mehr aushalten würde. Ob wegen der Schmerzen, ob wegen der Verletzungen, oder ob welchen Grundes auch immer, weitere Hiebe wurden auf ärztlichen Rat hin ausgesetzt.


Ist dies nun Ausdruck ärztlicher Fürsorgepflicht? Ist dies vielleicht ein Zeichen dafür, dass medizinisch-ethische Prinzipien höher gerankt sind als die der Sharia? Oder gibt es im Hintergrund vielleicht doch noch Gespräche, die zum Aussetzen dieser Prügelstrafe führen? Oder ist dies gar Ausdruck eines eigenartigen, für uns überhaupt nicht nachvollziehbaren Zynismus in der Form: der Verurteilte sollte erst gesundheitlich so wiederhergestellt werden, dass er die Schmerzen der nächsten 50 Peitschenhiebe auch im vollen Bewusstsein erleben kann (darf?)?


Mir spiegelt diese Situation zwei Dinge:



  • einerseits ist es eine klare Herausforderung unserer Wertvorstellung, in diesem Fall die der unbedingten Unversehrtheit des menschlichen Körpers und die des Unterlassens jeglicher Zufügung von Schmerzen durch Fremde.

  • Andererseits die unverzichtbare Notwendigkeit, sich vertraut zu machen mit der inneren Logik fremder kultureller Systeme.


Hieraus ergibt sich die besondere Herausforderung, sich und seinen eigenen Werten treu bleibend, so Anschluss an das fremde System zu bekommen, dass es zur Beendigung in diesem Fall einer solchen zum Tode führenden Prügelstrafe kommt.