Baretts Körpersprache im Senatsausschuss, oder: Eulen nach Athen tragen

Starken Schrittes schreitet sie zielstrebig auf den für Sie in dieser Woche speziell reservierten Stuhl zu. Die Welt schaut gespannt zu. Will die Welt doch wissen, wer diese Frau ist. Diese Frau, die wie als besagtes Zünglein an der Waage, das politische, republikanisch geschürte Feuer im Supreme Court entflammen soll. Wird diese Frau Trump retten? Wird sie das politische Schicksal der USA auf Jahre hinaus prägen?


Wer ist diese Frau: Wie ist sie? Wofür steht sie? Warum diese Frau gerade jetzt? Wann wird sie Farbe bekennen? Wozu brauchen die amerikanische Legislative und Judikative gerade diese Frau? Warum gerade jetzt?


Einige Minuten später -


Aufrecht sitzend, den Kopf leicht zur rechten Seite geneigt, verharrt Richterin Amy Coney Barrett beinah unbeweglich bei der aktuellen Befragung des Senats. Ist es eine Anhörung, ein Kreuzverhör oder gar ein Tribunal? Schaut man genau hin, erübrigt sich die Antwort auf diese Frage.


Der (genau) Hinsehende spürt wissend, bevor sein Wissen ins Bewusstsein rückt. Beides ist wichtig. Beides im Abgleich aufeinander eröffnet Antworten über spezifische Ausdrucks- und Wirkungsmuster der besagten Person. Muster, die vor allem unter Stress deutlich wahrnehmbar sind. (Und die Anhörung ist Stress) Diese geben Antwort auf das, was Barett dem Ausschuss mit Worten versagt hat.


Barett sitzt aufrecht, beinah unbeweglich. Der Kopf, leicht schief zur linken Seite geneigt, steht unter extremer Anspannung. Eine Anspannung die besonders in einer schier maskenhaften Mimik zum Ausdruck kommt. Die Stirn ist dauerhaft in Falten gelegt. Die Augen weiter aufgerissen als es wohl bei einer in sich ruhenden Person der Fall wäre. Wie im Fluge scheinen gelegentlich Züge von Angst und Panik in diesen beinah stechenden Augen aufzutauchen. Angst vor was? Panik weswegen? Ein leichter Zug von Ablehnung umschweift den Mund, wie ein Hauch von eingefrorenem angewidert sein. Antwortet Barett, folgen die Worte, ohne großes Zögern, beinah automatisch, man könnte meinen einem geheimen Plan gleich,, wohl dosiert und temperiert aus ihrem Mund.


Barett weiß, dass sie nichts sagen will. Sie weiß, dass sie nichts sagen muss. Sind die Fragen, auf die sie antworten soll, doch für sie unbedeutende Fragen. Unbedeutend, da sich die Antworten bereits erübrigen, bevor die Fragen gestellt sind.


Barett fühlt sich ihrem Glauben verpflichtet. Einzig und allein einem Eid gleich stellt dieser in der unmissverständlichen und unverrückbaren Verpflichtung auf den hierdurch geprägten Werte-Codex die alleinige und universelle Orientierung dar.


Barett redet, einem Sprechautomaten gleich, in der Regel emotionslos. So antwortet sie „I never say good or bad“. Hat sie dies auch gar nicht nötig. Gibt ihr doch die durch ihre besondere Selbstverpflichtung gerade in diesem Glaubenscodex verankerte Orientierung die Entscheidung darüber vor, was gut oder böse sei. Es sei daher dahin gestellt, ob sie beispielsweise die amerikanische Verfassung beim Wort nimmt oder auch auf die Gegebenheiten interpretiert. Barett hat ihre Orientierung in sich selbst. Hiervon (möglicherweise) abzuweichen, würde ihr den emotionalen Boden unter den eigenen Füßen wegziehen. Ihre zumindest für viele Europäer unvorstellbar scheinende religiöse Selbst-Verpflichtung, wirkt auf mich wie diejenige, die in einer christlichen Glaubensbrüdergemeinschaft zum Tragen kommt. Unmissverständlich und auf Lebenszeit.


Es sei also an dieser Stelle die Frage erlaubt, wem eigentlich Barett sich per Eid oder Schwur gegenüber verpflichtet fühlt.


„I have no view“ meint dann, dass nicht ihre Sicht relevant sei, sondern die, die der eigene Glaube (diese spezifische Art von Glaube) ihr vorgibt. Dies ist „meine Überzeugung“ könnte sie sagen. „Meine Überzeugung“ meint aber dann schlussfolgernd eben nicht eine unvoreingenommen Überzeugung, wie sie der amerikanischen Verfassung gegenüber angebracht wäre.


Auf die Frage, ob sie gar eine (hidden) Agenda im Sinne einer Programmatik habe, antwortet sie daher glaubhaft, dass sie keine solche habe. Braucht sie auch nicht zu haben. Weiss sie doch qua religiöser Selbst-Verpflichtung, was zu tun ist. Dies ist dann kein Programm sondern eine unumstößliche Überzeugung, an der aus keinem Grunde gerüttelt werden darf. Hat sie doch selbst bei einer ihrer Vorlesungen an der Katholischen Universität Notre Dame gesagt: „eine Karriere in der Justiz ist immer nur ein "Mittel zum Zweck" und das Ziel ist es, "das Reich Gottes aufzubauen". Dieser Satz steht bis heute in der Kritik. Diesbezügliche Fragen perlen aber gnadenlos an Barett ab.


An dieser Stelle Barett nach ihrer Unabhängigkeit zu befragen erübrigt sich von selbst. Sie ist es nicht. Sie will es nicht sein. Und sie kann es nicht, müsste sie doch dann der durch Schwur zusammen geschweißten Gruppe von Brüdern und Schwestern den Rücken kehren. Wer erinnert sich nicht an die enormen Schwierigkeiten von Aussteigern, die einer Sekte oder fundamentalistischen Gemeinschaft unter großem Leid zu entfliehen suchen.


Barett ist aufrecht. Sie ist unbeweglich. Sie unerschütterlich in sich selbst fest gehalten. Verankert in einem Glauben, an den sie, unmissverständlich geprägt durch ihre Kindheit, qua Selbstbekenntnis und Selbstverpflichtung übergeben hat. Das ist ihre Überzeugung. Um dies zu erkennen, bedarf es keiner Senatsanhörung. Sie nach ihrer Meinung zum Thema Obama Care, Abtreibung, Homosexualität oder sonst auch zu befragen ist daher wie Eulen nach Athen zu tragen. Je eindringlicher dies geschieht, entlarvt dies eher den Fragenden als den Hilflosen in diesem Spektakel.


Einmal gefragt, ob in ihr nicht „das Dogma leben würde“, verwies sie auf ihre eigene Ernsthaftigkeit im Glauben, um in einem Atemzug ihre Unabhängigkeit als Richterin zu unterstreichen. Erinnert man sich an ihre Körpersprache, ahnt man wie unerschütterlich Glaube und Selbst-Verpflichtung in Baretts Haltung verkörpert sind. Zumindest ihre Anhänger feiern inzwischen die „Dogma-Zuschreibung“ wie einen Kult. "The dogma lives loudly within you" wurde sogar auf Tassen und T-Shirts gedruckt.


Wissen Baretts Anhänger gar etwas, was Barett sich nicht zu Eigen machen traut?