"Das ist unser Land"

Gerade wieder zurück aus China lese ich mit einiger Verwunderung die Kommentierung des Spiegel zur Rangelei bei der Ankunft der US-Delegation in China. Als die Medienvertreter sich auf das Rollfeld bewegten, hätte ein Mitglied der chinesischen Delegation die Presseleute angeschrien, sie hätten sich hinter ein gespanntes blaues Band zurückzuziehen. Die bei diesem Vorfall getätigten Wortgefechte werden vom Spiegel in einem, man könnte fast schon sagen, nahtlosen Zusammenhang mit den möglichen Gefechten im südchinesischen Meer genannt. Treffen also genau ins Schwarze unserer Wahrnehmung der Situation im fernen Osten.


Der Chinese hätte zudem noch lautstark mit den Worten "das ist unser Flughafen, das ist unser Land" die Bedeutung seiner Ordnungstätigkeit betonen wollen.


Für den Spiegel, meines Erachtens gilt dies auch für so manch anderes deutsches Medium, scheint die Sache eindeutig zu sein: wieder so ein antiamerikanischer Affront. Wieder ein Beweis dafür, dass China gegen eine ( westliche) Presse ist. Und der amerikanischen Sicherheitsberaterin Rice war umgehend klar, "Sie (die Chinesen) taten etwas, was nicht erwartet worden war".


Nun, wer längere Zeit in China war, weiß, dass dies ein völlig normales Verhaltensmuster in China ist. Es gilt für jeden, ob Amerikaner oder nicht, ob Journalist oder nicht. Wer etwas anderes in China erwartet, hat keine Ahnung von dem, was Ort üblich ist. Üblich schon seit langem, seit vielleicht ja schon vielen hundert Jahren.


Wenn so ein Band gespannt ist, wenn es einen trennenden Zaun gibt, dann bedeutet dies einfach Stopp, bis hierhin und nicht weiter. Diskussionen gibt es dann keine mehr. Das gilt im Straßenverkehr, am Flughafen, in der Metro, im Tempel und sonstwo im öffentlichen Raum. Dafür gibt es natürlich Gründe, die aber nichts und auch gar nichts mit dem G 20 Gipfel oder gar der USA zu tun haben. Und schon überhaupt nichts mit der Presse oder gar Pressefreiheit.


Chinesen sind eben so. Sind die nun anders oder sind wir es? Die Antwort spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt, wie herausgepickte einzelne Phänomene in Kausalitäten verwoben werden, die offensichtlich mehr über diejenigen aussagen, die das tun, als über die Chinesen selbst. Hieraus lassen sich dann, so meine Einschätzung der Zwischentöne im Spiegel, alle möglichen Gefechte ableiten. Gefechte, die aus, ich will nicht sagen, Verschwörungstheorien erwachsen sind, aber zumindest aus voreiligen Schlüssen, die aus mangelnder kultureller Kenntnis vor Ort erwachsen sind.


Presse sollte, bevor sie kommentiert, erst einmal genau vor Ort hinschauen. Und das beschreiben, was sichtbar ist. Und das auf die Kultur des jeweiligen öffentlichen Raumes beziehen. Und nicht umgekehrt.