Dialog oder die Kunst gemeinsam zu denken (50 Jahre diplomatische Beziehung zwischen Deutschland und China)
Anlässlich der Erinnerung an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und China vor 50 Jahren gab es u.a. zwei Veranstaltungen, bei denen ich über die Bedeutung von transkultureller Kommunikation sprechen durfte: 9. D-CN-Wirtschaftskonferenz in Frankfurt und das jährliche Alumni Sommerfest des DAAD in Peking. Mir war dabei zu unterscheiden wichtig zwischen politischer, wirtschaftlicher, kultureller Diplomatie und Mensch-zu-Mensch-Diplomatie.
Natürlich ging es bei den Veranstaltungen u.a. auch um die geopolitische Großwetterlage, nämlich um den Unterschied zwischen den beiden Systemen, will man dies nun Wettbewerb, unversöhnlichen Streit oder Unvereinbarkeit nennen. Bemerkenswert überraschte mich dabei z.B. das anders verlaufende Gespräch der beiden deutschen und chinesischen Ex-Botschafter Dr. Schäfer und Shi Mingde über die Notwendigkeit von Dialog (auf der Frankfurter Konferenz), sowie die Betonung von Werten wie Vertrauen, Wertschätzung, Transparenz, Balance usw.
Nun, Dialog, Vertrauen und Wertschätzung sind ja in der Regel positiv besetzt. Wer will schon nicht für Dialog oder gegenseitigen Respekt sein. Im Unterschied hierzu und zur Erinnerung: der vorherrschende politische und medial inszenierte Schlagabtausch ist nun wahrlich kein überzeugender Dialog.
Der Forderung nach respektvollem Dialog, werden die meisten wohl zustimmen (können), welch politischer Couleur man sich auch zuordnen mag. Begibt man sich jedoch in ein solches als respektvollen Dialog deklariertes Gespräch, kommt es einerseits oft schnell zu Polarisierungen. Andererseits zu einer Vermischung der Ebenen. Jeder meint sich im „Recht“ zu wissen und scheint sich primär dadurch argumentativ behaupten zu können, indem man seinem Gegenüber dessen „Unrecht“ vorhält. Es ist dann schnell klar, wie das Gespräch enden wird, auf keinen dialogisch.
Die beiden Herren Ex-Botschafter machten es hingegen unspektakulär ganz anders. Betonten sie doch ihre unterschiedlichen Ansichten sowie die Bedeutung besagter dialogischer Werte. Aber nicht nur das. Bemühten sie sich doch gleichzeitig um die nähere Bestimmung und Charakterisierung der Kriterien, an denen sie jeweils Dialog, Vertrauen, Respekt usw. festmachen würden. Ich habe angeregt diesem dann folgenden transkulturellen Austausch von Meinungen, (historischen) Fakten und persönlichen Erinnerungen gelauscht und mich z.B. gefragt, was man aus der Geburt der diplomatischen Beziehungen von vor 50 Jahren für die Situation heute lernen könnte. War doch die Situation damals auf dem Hintergrund der Kulturrevolution in China auch nicht gerade einfach.
Was ist, so begann ich mich während des Gesprächs zunehmend zu fragen, heute wohl (auch) eine „geheime“ Motivation der am öffentlichen Diskurs Beteiligten, derart polarisierend gegeneinander vorzugehen. Es gibt gewiss im Vergleich zur damaligen Situation zu unterscheidende andere geopolitische Bedingungen. Und doch!
Nun, worauf will ich hinaus? Ein transkultureller Dialog ist im Unterschied zur inter- und multikulturellen Kommunikation eher u.a. durch Kulturelles Co-Gestalten, Kohäsion, die Wirkung von „blinden Flecken“, emotionale Resonanz und hybride Identität gekennzeichnet. Man könnte also sagen: Nicht (nur) der Fremde fremd, sondern ich bin (mir gegenüber) auch fremd.
Oder:
Einstein soll mal ähnlich gesagt haben: Das Denken, das die Probleme erzeugt hat, kann nicht das Denken sein, das sie löst. Es braucht ein neues Denken.