Drei Überschriften und ein Mensch

Sonntags bietet sich manchmal die Gelegenheit in irgendwelchen Zeitschriften oder Zeitungen rumzublättern. Manchmal reicht es schon aus, sich einfach die Überschriften anzuschauen, um Bescheid zu wissen. Sie locken den Leser. Sie bringen es für den eiligen Leser, der im Grunde gar nicht lesen will, alles schon einmal auf den Punkt. Sie suggerieren Wahrheit.


Die Welt am Sonntag titelt mit der "Volkskrankheit Angst". Der Stern legt den Finger in den "Pfusch an der Seele" und klagt eindeutig das Risiko an, sich in Psychotherapie zu begeben. Würden Therapeuten bei Depression, Angst und Erschöpfung doch nur versagen. Während die ehemalige US-Außenministerin Madelaine Albright gleich den eigentlichen Sündenbock beim Namen nennt. "Es sind doch die Russen, die provozieren".


Ich frage mich dann, wie eine solche t`hour de Headline auf den Normal-Leser wie mich wirkt und mit welchem Eindruck ich anschließend bei der Kaffeetafel "Welt und Mensch" zu erklären versuche. Nun in meinem Fall gibt es wohl (exemplarisch) fünf Möglichkeiten, die sich entsprechend der Reihenfolge ergeben, in der ich die Zeitungen in die Hand nehme:



  • Da meine Angst Teil einer Volkskrankheit ist, Therapeuten sowieso Pfusch betreiben, bin ich erleichtert, ein solch klares Feindbild serviert zu bekommen.

  • Da Therapeuten sowieso Pfusch betreiben, brauch ich wegen meiner Ängste keine Sorgen zu haben, ist sie doch sowieso Teil einer Volkskrankheit. Kann daher mich umso mehr über den Russen als Feindbild aufregen.

  • Schon wieder sind es die Russen. Hab ich es doch gleich gewusst. Das Feindbild kommt mir dann gelegen, da ich wegen meiner Ängste sowieso nicht zum Therapeuten gehen kann. Betreiben die doch nur Pfusch. Und im Übrigen wird doch durch den Hinweis auf die Volkskrankheit meine anfängliche Sorge bestätigt, das man bei meinen Ängsten sowieso nichts machen kann.

  • Wenn es schon wieder die Russen sind und ich, wenn ich wegen der Ukrainekrise, die von einigen mit der Kubakrise verglichen wird, persönlich Angst habe, sowieso nicht zum Therapeuten gehen kann, wegen des hohen Risikos, dem ich mich dann ja aussetzen würde, gehe innerlich  schon lieber jetzt, also vorbeugend, in emotionale Angriffsstellung. Man weiß ja nie, wofür es gut ist.

  • Weil Therapie bei meinen Ängsten sowieso nicht wirkt, bin ich ja in "guter" Gesellschaft, zumal meine Angst eine Volkskrankheit ist. Oh je, sag ich mir dann, wohin wird das führen, wenn der Russe auch bei uns durch seine permanente Provokation Krieg anzetteln wird.


Im Grunde genommen reichen einige Überschriften aus, um Bescheid zu wissen, oder?