Gummiwände der Erfahrung oder: nach dem Duell ist vor dem Duell

Die politische Zirkusarena hat sich nach vier Jahren wieder einmal mit einem, so die Ankündigung, besonderen Ereignis aufgetan. Das TV-Duell zwischen Kanzlerin Merkel und ihrem Herausforderer Schulz sollte die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Die Wahrheit über den möglichen Wahlausgang. Hieß es doch schon bei anderen TV-Duellen, dass diese wesentlich über den Wahlausgang der jeweiligen Bundestagswahl entscheiden würden.


Nun, Merkel, so die bundesdeutsche Presse, sei die überzeugende Gewinnerin des Duells geworden. Einerseits.


Andererseits wandelte sich das Gespräch schnell zu einer Erklärungs- und Rechtfertigungspressekonferenz der Großen Koalition. Dies, so die Presse, hatte deutlich Züge von Kuschelkurs und „hagerem Sprachpüree“.


Wie kann ich mir aber eine Gewinnerin vorstellen, die mit ihrem Herausforderer besagtes „hageres Sprachpüree“ pflegt? Und, wie in einem Duell unterscheidbare Unterschiede identifizieren, die, wenn überhaupt, nur mit der Lupe zu finden sind.


Ein Duell sollte es sein. Adrenalin pur. Hochspannung bevor überhaupt ein Wort gefallen ist. Und dann diese weichspülenden Fragen.


Warum nicht beim nächsten Mal das Duell durch kurze, knappe Fragen in Fahrt bringen, auf die die Duellierenden nur mit Ja oder Nein antworten dürften. Sie gleich von Anfang an aus der Reserve locken, ohne den Beiden die Möglichkeit zu geben durch verschnörkelten Politik-Sprech Nebelbomben zu werfen.


Übrigens, die Frage nach dem sonntäglichen Kirchgang war ein seltenes Highlight im Duell. :-)


Warum nicht mal wie bei einem Ankündigungs- oder Garantieversprechen (z.B. „Mit mir keine Maut“ oder „Mit mir keine Rente ab 70“) zirkulär nachfragen. Nachfragen, woran man erkennen könne, dass und wie dies eingelöst wird. Man könnte dies die berechtigte und unbedingt notwendige Suche nach Erreichungskriterien nennen. Etwas zum Anfassen im Unterschied zum langatmigen, sich selbst beschönigenden Schulterklopfen.


Warum nicht das Publikum ins Studio einladen. Geht es doch gerade um diese Menschen. Um uns als Zuschauer. Warum diese isolierte, klinische Laborsituation, die nun wirklich nicht dem politischen Alltag entspricht.


Warum nicht mal die Ergebnisse der Umfragen durch Konkretisierungsfragen mit Leben füllen, wie z.B. Schulz liege bei Bürgernähe weit vor Merkel. Woran machen die Menschen das fest? An (welchen) Inhalten oder woran?


Warum nicht mal die Einzelergebnisse der Umfragen quer oder überkreuz, d. h. unkonventionell aufeinander beziehen? Wie zum Beispiel: Merkel sei glaubwürdiger, Schulz bürgernäher und Merkel insgesamt überzeugender. Wie kann ich mir das vorstellen? Ist das Zusammenfügen solcher Fragen bzw. Ergebnisse höhere Mathematik? Oder birgt sich etwa hierin eine Quelle interessanter Erkenntnisse oder Fragen? Würde man dies tun (wollen), müssten die Meinungsforschungsinstitute natürlich differenzierter die Menschen befragen.


Wie sind dann die doch sehr unterschiedlich vom Spiegel diagnostizierten Wählerwanderungen der beiden Volksparteien nach dem Duell zu verstehen? Obwohl Merkel überzeugt hat, sind weitaus weniger Wähler zur CDU gewandert, ganz im Unterschied zur 10% igen Wählerwanderung hin zur SPD. Muss man also gar verlieren, um Erfolg zu haben? :-)


Auf jeden Fall könnten sie dem Püree eine gewisse Würze verleihen.


Vielleicht täusche ich mich aber auch und die sonntägliche Duell-Gemeinde braucht wegen ihrer eigenen Zahnlosigkeit tatsächlich hageres Sprachpüree.