Körpersprache von Trump und Biden im TV-Duell
Oder: eine körpersprachliche „Leseleitung“ - Teil 2

Hier ein Blick in meine körpersprachliche Küche anhand der Analyse des TV-Duells zwischen Trump vs Biden. Oft werde ich gefragt, wie ich an eine solche herangehe. Einerseits ist es wie beim Erlernen einer Sprache. Man braucht die Vokabeln, die Grammatik und man übt sich im Gespräch. Andererseits spielt sich das analytische Geschehen zwischen meinem Gegenüber und mir ab. In diesem Fall ist es eine virtuelle Begegnung. Der körpersprachliche Austausch gebiert, könnte man sagen im Zusammenspiel von Ausdruck (meines Gegenübers) und (meinem) Eindruck, die jeweils spezifische Aussage. Natürlich bedarf es einer gewissen Erfahrung und dem Mut sich Schritt für Schritt nach vorne zu bewegen, hin zu anfänglichen vertieften Eindrücken. Dann zu Vermutungen, die verbunden mit aufkommenden Fragen, Hypothesen zur plausiblen Orientierung verdichten. Dann geht es wieder von vorne los. Eine offene, auch periphere Wahrnehmung, getragen von besagter Orientierung, schärft die Kontur des Zusammenspiels zwischen einzelnen Details und Mustern, Diskrepanzen oder Wiederholungen. Dies nimmt meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch sowie die Zuversicht, dass es „gut gehen kann“. Natürlich kommt manchmal bei einem solchen Segelturn auch heftiger Wind auf. Ich verfange mich in blinden Wahrnehmungsflecken, kämpfe gar gegen eine möglicherweise aufkommende Sympathie oder Antipathie an. Oder verfange mich in den Worten der beobachteten Person, obwohl stets bemüht, den hypnotisch wirkenden rhetorischen Verführungskünsten zu entgehen. Hier also ein komprimierter, symptomatischer Blick auf das nonverbale Geschehen anhand des time codes. Ein Ausschnitt zu Trump, ein weirterer zu Biden: https://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-und-joe-biden-das-tv-duell-in-voller-laenge-a-3536b701-4372-4782-ab71-68a0bba03c44


TRUMP zu Anfang und erster Eindruck:


Trump kommt ohne Maske rein. Schwingt mit Rumpf hin und her. Kopf schräg zur Seite. Es „rumpelt“ in ihm. Ist deutlich, hoch kontrolliert unter Stress. Kann es aber nicht verbergen. Die Schultern sind sehr fest. Bewegt nur die Unterarme und Hände, indem er sie beinah kontinuierlich hin und her bewegt, wodurch die Starrheit in seinen Schultern umso deutlicher wird.


7:10 In ihm arbeitet es deutlich sichtbar. Dabei hebt er seine Fersen, sodass der ganze Körper sich anhebt. Ist seine Bodenhaftung, Erdung noch stabil genug? Oder überkommt ihn sein überschießender Stress? Spricht er, sind seine Lippen, wie man es von ihm kennt, spitzt, fasst wie ein Kussmund. Seine Mimik deutlich markant und angespannt zum Ausdruck gebracht. Insgesamt wirkt er gebremst und stark zurückgenommen. Sein Blick: …beinah kontinuierlich auf die Moderatorin gerichtet. Nur gelegentlich, wie aus dem Augenwinkel, kaum merklich blickt er in Richtung Kamera, ohne einen klaren Blickkontakt zum imaginären Publikum. Und will er dies doch eigentlich erreichen, oder?


10:00 Seine Worte klingen eher rechtfertigend wie eine Verteidigung. Er hätte doch immer in der Öffentlichkeit bleiben müssen, ganz im Unterschied zu Biden, der sich in den Keller hätte einschließen können“. Klingen hier ein leichtes Bedauern und Neid durch?


13:00 Bekomme den Eindruck, als würde er sich „zwischen“ der Moderatorin und Biden erleben. Als würde er sich hin und her bewegen müssen. Zwischen der Moderatorin und Biden. Reduziert oder erhöht dies seinen Stress, frage ich mich.


13:25 T. blickt beleidigt nach unten („Du, an Biden gerichtet,…hast….“)


13:40 „he (an B. gerichtet) had said, I could have closed the border…”…dabei stützt er sich, statt eines stabilen Stands, an das Pult. Sekunden später heben seine Fersen wieder den gesamten Körper. Wohin, scheint sein Körper zu fragen, soll ich mit all meiner überbordenden Energie hin, mit der innewohnenden Explosionskraft? Fühlt sich T. etwa wie gefangen in dieser Situation? Wäre er lieber, wie beim 1. Duell aus der Haut gefahren, so wie man es von ihm kennt? Klar er hält sich an die Regeln, und doch will sein Körper was Anderes.


15:28 Verbal wird sehr deutlich, dass er nicht an sich halten kann, dass er sich nicht unter Kontrolle hat, wie man es von einem Politiker erwarten kann und muss. Sagt er doch, an die Moderatorin gerichtet, „…I appreciate…“ um sie gleichzeitig ungeschminkt zu unterbrechen. Er will sich von ihr nicht vorschreiben lassen, was er zu tun oder zu lassen habe.


16:11 Immer wieder richtet er sich innerlich, körperlich sichtbar auf. Muss sich groß machen, obwohl er doch schon so groß und dominant im Raum wahrnehmbar ist.


16:43 Als es darum geht, die Schulen zu öffnen, unterstreicht er die Betonung seiner Ansicht, indem er deutlich sichtbar die Fersen anhebt. Er wirkt jetzt für einen Moment jeweils noch größer,….bedrohlicher? Reicht etwa, so frage ich mich, sein Argument zur Überzeugung seines Gegenübers nicht mehr aus? Angriffsverhalten… …richtet sich stets, beinah kontinuierlich gegen Biden. Natürlich ist B. der Herausforderer, und doch sind Präsidenten bislang nur sehr selten aus ihrem Amt herausgewählt worden. Warum also derartig viele Angriffe? Warum diese Angriffshaltung? Er könnte sich doch auf dem ausruhen, wenn er denn von sich überzeugt wäre, was er geleistet hat oder glaubt es geleistet zu haben. Biden müsste sich an ihm abarbeiten. T. tut es aber nicht. Was spiegelt die Haltung, die er einnimmt? Spiegelt sie eher seine persönlichen Verhaltens- und Wirkungsmuster?


17:04 T. stoppt mit seinem Beitrag, wendet sich abrupt an B. schiebt seine Schulter, wie er es sehr oft automatisch tut, nach vorne, neigt seinen Kopf zur Seite und blickt wie fixiert sein Gegenüber herausfordernd (aggressiv, arrogant?) an.


21:45 Als es ums Geld geht, fährt T. Biden einfach über den Mund. Seine Gestik ist größer, weit ausladend, wie man es von ihm auf Wahlveranstaltungen kennt. Warum gerade bei diesem Thema, frage ich mich?


22:02 Die Diskussion mit der Moderatorin wird heftiger, was T.s stechenden Zeigefinger aus der Reserve zu locken scheint. T. tut dies oft, wenn er drohend, jemanden aufs Korn nimmt und ihn, man könnte fast sagen, nicht aus der Situation rauslassen will. Er bestimmt und dabei gibt es kein Pardon. Auch wenn es ums Argument, in diesem Fall ums Geld zu gehen scheint, personalisiert T. Er will dominieren und die Anderen müsen sich ihm fügen.


23:20 Jetzt wird die Antwort auf meine innere Frage beantwortet. „I could blow your records…..” gegen B. gerichtet, zeigt unmissverständlich Rivalität und Überheblichkeit. Warum hat ein Präsident dies nötig, frage ich mich. Wieder zeigt sich ein typisches Muster. T. ist der „Größte“. BIDEN zu Anfang und erster Eindruck: B. sonore Stimme klingt ruhig. B. steht am Pult, seine Hände locker auf die Seiten des Pults gelegt, ohne sich daran festzuhalten. Während er redet wirkt er unaufgeregt, man könnte den Eindruck bekommen: in sich ruhend. Er schaut die imaginären Zuschauer an, während deutlich betont sich auf Fakten bezieht und mit einem Appell endend die erste Frage beantwortet. Seine Gestik ist offen, groß, weit ausladend und passend zur Betonung seiner Worte. Wird sein Tonfall ernsthafter oder das Argument eindringlicher, unterstreicht er dies durch das Gebilde der Stirnfalten.


11:43 Er spricht das Publikum direkt an. Er variiert seinen Blickkontakt passend zum intendierten Kontakt. Spricht er die Moderatorin an, schaut er sie an und bleibt im Kontakt mit ihr. Will er sich an die imaginären Zuschauer wenden, wendet sich sein Blick klar und beständig hin zur Kamera.


12:44 Das was er sagt ist ernst und er blickt ernst. Dabei scheint er sich nicht an seinem Gegenüber „abzuarbeiten“. B. scheint um Trumps Anwesenheit zu wissen und dies auch deutlich zu spüren, lässt sich aber nicht aus seinem Rhythmus bringen. B. wirkt im Unterschied zu Trump durch das, was er sagt, wie er es betont, wie er sein Kontaktverhalten ausrichtet und szenisch gestaltet in sich stimmig. Wort, Stimme, Gestus, Reaktion passen zueinander. Ist dies eher ein Zeichen von Glaubwürdigkeit? Auch Trump ist in sich stimmig, wenn auch durch Dissonanzen und Irritation. Nur darauf kommt es bei einer Wahl nicht nur an. Geht es doch darum: sich treu zu bleiben, in sich stimmig zu sein und eine hinreichende Passung zum umgebenden Kontext zu wahren.


23:30 B.s Worte stolpern. Er sucht ein Wort und man merkt dies an seinem Wort suchenden Gestus. Im Unterschied zu dem Ausdruck von mentalen Lücken oder gar Wortfindungsstörungen wirkt B. dabei wie ein „normaler“ Kollege oder Nachbar, der eben nicht durch eine „wie-aus-der-Pistole-geschossene-Argumentation“ punkten will. B.s Gestus scheint dabei eher der Situation geschuldet zu sein.


27:45 Rhetorisch brillant betont B. den Dreiklang seiner Argumente: „erstens….zweitens….drittens…“. So lernt man es im rhetorischen Grundkurs. So wirkt es auch überzeugend auf den Zuschauer. So beherrschen dies viele aber eben nicht alle.


37:50 B`s Lächeln ist wohl wollend und spontan, ohne eine versteckte Absicht


38:27 B. „steigt für einen Moment aus dem Duell“, indem er sich direkt an die imaginären Wähler wendet. Er scheint situativ nicht von dem Duell, bzw seinem Kontrahenten abhängig zu sein. Würden doch viele, T. auf jeden Fall, keine Möglichkeit zum direkten Treffer vermeiden wollen.


47:10 B. kann auch herzhaft lachen, dabei lacht das ganze Gesicht. Dabei steht er locker am Pult, macht sich gelegentlich Notizen, um dann wieder zu reagieren. Es scheint, als würde B. nicht „einfach alles Abspulen“ sondern, die aktuelle Situation im Blick habend, situativ zu reagieren. Dies scheint die Bedeutung zu unterstreichen, die B. in Kontakt zum Gegenüber legt. ………………


……………… ENDE gut, alles gut?….


Es ist noch nicht vorbei: Trumps Ehefrau schreitet auf Ihren Mann zu, steht vor ihm. Beide scheinen fast reglos zu sein. Und T. holt seine Maske aus der Jackentasche, während B,. und seine Frau sich innig umarmen.