Platz ist nur für einen - zur nonverbalen Kommunikation von Trump und Kim in Singapur

Es ist anders gekommen als noch vor kurzem gedacht. Der nordkoreanische „Raketenmann“ trifft den amerikanischen „senilen Greis“. Alles scheint auf einmal gut zu sein. Es wird der Beginn einer wunderbaren Freundschaft beschwört. Alles sei großartig und würde noch großartiger werden. Das Abkommen einfach Spitzenklasse. So begegnen sich Freunde. Könnte man meinen. Wenn es sich nicht alles nur um politische Inszenierung handeln würde.


Blickt man auf die Körpersprache von Trump und Kim beim Gipfeltreffen in Singapur sehen wir zwei Bühnen: die vordere Bühne reichhaltig gefüllt mit freundlichen Gesten, beschwörendem Händedruck, überschwänglichem Lächeln, professionellen Berührungen und vielsagender Mimik. Man sieht all das, was man bei einer solchen weltpolitischen Veranstaltung zu erwarten hat.


Trump und Kim gehen direkt aufeinander zu. Sie haben keine Scheu vor einander. Jeder wirkt auf seine Art und Weise souverän, dominant, wach jedoch auch angespannt. Trump wirkt eher z. B. durch seinen dominanten Händedruck. Er will Kims Hand gar nicht mehr loslassen. Während Kim ihm die Hand reicht, eher kraftlos wirkend, scheint Kim zu wissen, dass es seine eigene Hand ist und auch bleiben soll. Er will sich nicht in die Hände Trumps übergeben. Trump holt immer wieder gestisch z. B. mit weit ausladender Armhaltung aus, um sich einen großen Raum neben Kim zu verschaffen. Er will zeigen, dass er die Regie führt, scheint aber auch auf den entsprechenden Effekt angewiesen zu sein. Trump ist also insoweit nicht souverän. . Kim scheint diese manchmal fast väterlich wirkenden Geste erfreut wie ein großer Junge zu erwidern. Er entspricht ihr aber in keiner Weise. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich wie trügerisch eine vorschnelle körpersprachliche Analyse sein kann, wenn man die kulturellen Unterschiede nicht entsprechend würdigen würde.


Kim ist freundlich, wach und zurückhaltend, was im Ostasiatischen Raum nicht unüblich ist. Man verhält sich so in einem offiziellen Kontext, vor allem in der Politik. Dies vorschnell nach westlichen Vorstellungen deuten zu wollen, könnte zu trügerischen Schlussfolgerungen führen. Trumps Mimik als locker und souverän zu deuten, könnte auch zu einer trügerischen Deutung führen. Wirkt seine Mimik doch eher wie eine übertriebene, fast grimassenartige Mimik, die von großer Anspannung zeugt.


Die Inszenierung dieser glanzvollen Gesten und Bilder soll offensichtlich die Hoffnung auf eine globale Welle der sehnsüchtig herbeigewünschten persönlichen Erleichterung, der politischen Entspannung oder gar Erlösung von Krise bewirken. Ist es doch endlich geschafft: Amerika und Nordkorea sitzen nicht nur an einem Tisch sondern feiern eine Zukunftstragende Freundschaft.


Wie gesagt es gibt zwei Bühnen. Die hintere Bühne ist die, auf der sich zwei Menschen mit typischen Verhaltensmustern begegnet sind. Diese gerade nonverbal zur Wirkung kommenden Muster sind einem sozusagen auf den Leib geschrieben. Unter Extrembedingungen, in der Krise, auch unter Stress greift man unbewusst auf diese Verhaltensmuster zurück und verhält sich so, wie man es früher als bestmögliche Art und Weise gelernt, zu überleben oder besagte Krise einigermaßen zu meistern. Der Begegnung zwischen Trump und Kim ist eine solche Extremsituation.


Schaut man unter diesem Aspekt auf die beiden Politiker sehen wir Kim als jemanden, der nach dem Tod seines Vaters sehr früh Verantwortung hat übernehmen müssen. Er übt Verantwortung deutlich durch überbordende Kontrolle im eigenen Land aus. Politische Macht primär auf Kontrolle aufzubauen ist langfristig ein schwieriges Unterfangen. Man braucht auch, gerade in einer Diktatur den Respekt der Menschen. In Singapur ging es nicht um den innenpolitischen Respekt Kim gegenüber sondern um Trumps Respekt Kim gegenüber. Trump kann aber nicht Respekt. Seine oftmals vernichtenden Beschimpfungen entlarven vermeintliche Gesten von Respekt schnell als politisches Manöver. Und Kim, vom Verhaltensmuster her gesehen, wird solch ein Manöver nicht nur schnell spüren sondern auch mit aller impulsiven Heftigkeit und Bedrohlichkeit erwidern.


Trump kann vom Verhaltensmuster her gesehen nicht mit Menschen. Er benutzt sie, er verletzt sie, er zerstört sie. Trump sieht nur sich selbst, seinen eigenen Vorteil und spielt mit den Menschen. Er will dominieren und erliegt oftmals einer Vorstellung von Grandiosität. Je höher er in diese Sphären aufzusteigen scheint, desto größer ist seine unbewusste Angst zu fallen. Er wird alles tun und daran setzen, dass er oben bleibt. Angst zu fallen heißt für ihn nicht mehr existent zu sein. Trump wird eigenständige Gesten, Verhalten und Entscheidungen von Kim also stets als gefährlich erleben. Er erlebt sie als subtilen oder gar versteckten Angriff, gegen den er umgehend zurückschlagen muss.


Es wird also anders kommen als es heute zu sein scheint. Können doch beide Politiker nicht aus ihrer Haut schlüpfen. Der Eine ein dominanter, selbstverliebter, unsensibler Unternehmer, der dadurch besonders gnadenlos zur Wirkung kommt, dass er Verträge, Regeln, Beziehungen und Werte einfach abbricht oder gar zerstört. Der Andere ein ausgewiesener, von seiner Familiendynastie bestimmter und inzwischen erprobter Diktator, dem Menschenrechte ein Unwort sind und der Menschen mit ihren Familien in Lagern gefangen hält.


Beide haben insoweit etwas Gemeinsames als sie die Menschen, den Kontakt zu den Menschen um sich herum nicht nur meiden sondern auch bewusst gnadenlos instrumentalisieren. Ohne Skrupel, ohne Scham und persönliche Zweifel versuchen sie die Menschen zu unterwerfen. Insoweit ähneln sie sich nicht nur sondern sind in dieser Hinsicht aus einem Holz geschnitzt. Es wird sich zeigen, was dies Verhaltensmuster für den Umgang miteinander heißen wird. Werden sie sich in der Praxis des politischen Alltags gegenseitig strategisch instrumentalisieren bis zu dem Moment, in dem beide versuchen sich gegenseitig politisch zu beschädigen?


Klar ist, Platz ist nur für einen.