Brief 3 - Witz-Denken - von Andrea

Lieber Leser, Lieber Bardia!


Viele lebhafte Ideen bringst Du ein :-) – hm, hm ... und ich möchte da an Deinem Gedanken der Erickson´schen Individualität von Behandlungen anknüpfen … und Dein Gesagtes etwas verästeln, da m.E. darin als/für den bspw. Therapeut oder Berater die Kunst liegt, Sicherheit im Umgang mit Unsicherheiten zu finden; ist doch das Verhalten eines Menschen in seinen vielfältigen Facetten niemals vorhersehbar; und weil Paul Watzlawick mit Erickson immer wieder betont, wie wichtig es bei systemischen Interventionen ist, „die Sprache des Klienten“ zu sprechen, d.h. aufmerksamst in das „Weltbild“ des Anliegenbringers einzutauchen. Sein für ihn selbst „gelungenstes Buch“ widmet Onkel Paul diesem Thema – wir sprechen von der Hypno-Kommunikation bzw. trance-induzierenden hypno-systemischen Kommunikation. Darin erläutert Watzlawick die Verwendung von rechtshemisphärischen Sprachformen, die Blockierung der linken Hemisphäre und spezielle Verhaltensvorschreibungen.


Vom Warzen-Kauf und Witz-Denken


Er beginnt dieses Buch – die „Möglichkeit des Andersseins“ – 1977 mit einer Erinnerung an seine Kindheit: „Man kann Kinder von Warzen befreien, indem man sie ihnen «abkauft»,“ beschreibt er. „Praktisch geschieht das so, dass man dem Kind für seine Warze ein Geldstück gibt und damit Eigentumsrecht auf die Warze anmeldet. Meist fragt das Kind – belustigt oder verwundert –, wie es denn nun die Warze abtreten soll, und man antwortet darauf leichthin, es möge sich keine Sorgen machen, sie werde schon von selbst und bald zu einem kommen. Aufgrund einer völlig absurden, symbolischen Interaktion ergibt sich ein ganz konkretes Resultat [wenn die Warze verschwindet] (...) Die Verwendung einer ganz bestimmten zwischenpersönlichen Kommunikation führt hier (…) zu einer körperlichen Veränderung, die «normalerweise» nicht absichtlich erzeugt werden kann. Umgekehrt ist es nur zu gut bekannt, dass wir uns durch Seelisches körperlich krank machen, uns sozusagen in Krankheit hinein hypnotisieren können (...). Es muss also getreu dem Grundsatz similia similibus curantur möglich sein, diese selbe Sprache auch in den Dienst der Gesundung zu stellen … Und es ist dann sinnvoll anzunehmen, dass diese Sprache wenigstens in gewissem Maße erforschbar und erlernbar ist.“


Mit Blick auf unsere „zwei verschiedenen Gehirne“ meint Watzlawick, „wir haben es also mit zweierlei Sprachen zu tun. Die eine, in der zum Beispiel dieser Satz selbst abgefasst ist, ist objektiv, definierend, zerebral, logisch, analytisch; es ist die Sprache der Vernunft, der Wissenschaft, Deutung und Erklärung, und daher die Sprache der meisten Therapien. Die andere ist viel schwieriger zu definieren, eben weil sie nicht die Sprache der Definition ist. Man könnte sie die Sprache des Bildes, der Metapher, des pars pro toto, vielleicht des Symbols, jedenfalls aber der Ganzheit (und nicht der analytischen Zerlegung) nennen. Bekanntlich macht die Psychologie des Denkens eine ähnliche Unterscheidung zwischen dem sogenannten gerichteten und ungerichteten Denken. Ersteres folgt den Gesetzen der Logik der Sprache, also ihrer Grammatik, Syntax und Semantik. Das ungerichtete Denken dagegen liegt Träumen, Phantasien, dem Erleben der Innenwelt und dergleichen zugrunde. Es ist ungerichtet nur im Vergleich zum gerichteten Denken, denn es hat seine eigenen, »unlogischen« Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die sich unter anderem in Witz, Wortspiel, Kalauer, Innuendo und Verdichtung ausdrücken. Auch in der Linguistik und der Kommunikations-forschung besteht eine fast identische Zweiteilung; nämlich die in digitale und analoge Modalitäten.“


So sind es oft Geschichten, Parabeln und Umdeutungen, mit denen Watzlawick in kreativ-strategischer Weise und mit heilender Absicht die Weltbilder seiner Patienten individuell einlädt, sich neu einzukleiden; eine Sprache, die nicht erklärt, sondern oft unter Anregung der Weisheit des eigenen Unbewussten ein hilfreiches neues Erfahrungserleben evoziert.


Was meinst Du Bardia – was fällt Dir dazu weiter ein?


 


Bardia Monshi
Dr. Bardia Monshi

ist Gründer und Geschäftsführer des iVip - Institut für Vitalpsychologie in Wien. Seit 1999 als Psychologe, hypno-systemischer Coach, Trainer, Speaker und Autor tätig. Er ist ausgebildeter klinischer- und Gesundheitspsychologe und seit 2002 zertifizierter Arbeits- & Organisationspsychologe; Er arbeitet mit multinationalen Konzernen und Olympiasiegern; und ist selbst Kletterer ;)




Bardia Monshi
Dr. Andrea Köhler-Ludescher

Gründerin und Vorsitzende des Paul Watzlawick Instituts (Wien); freie Journalistin und Autorin/Biografin von Watzlawick, ihrem Großonkel; sie ist als hypno-systemische Change Coach, Organisationsberaterin und international Vortragende tätig; mag das Schauspiel und das Schöne, schätzt die Stille und die Stimmung. koehler-ludescher.at/