Polyamorie

Ob polyamore Lebensformen ein Zukunftsmodell sind, ob eine Lebenslüge, das Ende der Romantik, eine ideologische Kopfgeburt – darüber kann man streiten. Hin und wieder ist es bei Gesinnungsfragen ratsam, einen Blick auf empirische Daten zu werfen.


Das Journal of Sex Research berichtet in seiner letzten Ausgabe von einer Internet-Befragung. Über 1000 Personen, die sich selbst als polyamor  identifizierten, wurden befragt über ihre Bedürfnisse, ihre Befriedigung und Bindung.


Die Forscher führen eine interessante Unterscheidung ein zwischen additiven, kompensatorischen und Kontrastbeziehungen. In den additiven Beziehungen wird kein inhaltlicher Unterschied zwischen den zwei (oder mehr) Beziehungen erlebt. Die andere Beziehung bringt einfach quantitativ  mehr vom selben. Die Kontrastbeziehungen folgen einer Logik des Mangels: was ich bei A vermisse, finde ich bei B.. Dagegen meinen die kompensatorischen Beziehungen eher eine Logik der Fülle: Was es nicht alles noch Neues gibt – bei einem andern Partner....


Überraschenderweise unterschieden sich die drei Typen nicht wesentlich voneinander, was Befriedigung und Bindung betrifft. Überraschend macht auch das Kontrastmodell davon keine Ausnahme. In der Summe (er)leben die Befragten ihre parallelen Beziehungen relativ unabhängig voneinander. Die Forscher kommen zu einem sehr positiven Gesamtbild. Die Bindung an den einen Partner wird durch den zweiten kaum beeinträchtigt. Die Zufriedenheit mit der polyamoren Lebensform wird als hoch bewertet.


Ob das im Einzelfall so reibungslos geht, welche Rolle Eifersucht spielt, wieviele Ambivalenzen da verleugnet werden  - das müsste man sich genauer ansehen. Aber die oft gehörte Pathologisierungskeule der Beziehungsunfähigkeit trifft in dieser allgemeinen Form nicht. Vielleicht sind polyamor liebende Menschen sogar besonders beziehungsfähig und -willig......


Quelle: Journal of Sex Research 52, 2014, 329-339