Polyamory und Geständniszwang

Ein interessantes Interview mit einer polyamoren Liebesgemeinschaft bringt das BBC-Magazin. Interessant, weil so deutlich wird, wie die gewonnene Freiheit mit einer anderen Unfreiheit erkauft werden muss. Die vier englischen Polyamoristen, ehemals zwei Hetero-Paare, haben zusammen fünf Liebesbeziehungen untereinander. Sie sind begeistert über ihre erotische Lebensqualität, verlieren aber sofort den Humor, wenn es um Transparenz geht. Alles wird ausführlich vor- und nachbesprochen, insbesondere Beziehungen außerhalb des Quartetts. Darüber entscheiden alle vier. Unter den Beteiligten gibt es Veto-Möglichkeiten, wenn sich jemand zu sehr Bedenken hat. Allerdings: Einfache Eifersucht gilt nicht. Obwohl sie das Dauerthema ist.


Esther Perel, die in dem Artikel kurz zu Wort kommt, spitzt es zu:„You can live in a monogamous institution and you can negotiate monotony, or you can live in a non-monogamous choice and negotiate jealousy. Pick your evil.“


Wir reden mehr als wir Sex haben, sagt einer der Interviewten. Keine Geheimnisse. Nicht sexuelle Treue, sondern radikale Transparenz ist das moralische Kriterium. So verschiebt sich die soziale Kontrolle vom Unterleib auf das Sprechen, vom Handlungsverbot aufs Sprechgebot. Was mir besonders ins Auge springt: Die Transparenz, also der Geständniszwang, ist nicht nur Kontrolle, sondern ein wirksames Mittel, das mit der Eifersucht auch gleich den Zauber  und die Magie einer Liebesgeschichte zu kommunikativer Prosa  sterilisiert.


http://www.bbc.co.uk/news/magazine-23726120