Unwiderstehlichkeit

Die NZZ berichtete gestern folgende Geschichte: Im US-Bundesstaat Iowa entließ ein Zahnarzt nach 1o Jahren bester Zusammenarbeit seine Helferin, weil sie «unwiderstehlich» sei. Sein Geschäft, seine Ehe und das Wohl der Familie seien bedroht.


Zu sexuellen Kontakten war es nie gekommen, wohl aber zu heftigem SMS-Austausch. Dabei habe die Arzthelferin sich auch über ein unregelmässiges Sexleben mit ihrem Mann beklagt. Kommentar des Arztes: «Das ist, als habe man einen Lamborghini in der Garage stehen, den man nicht fahren darf.» Hintergrund der Entlassung war der Druck der Ehefrau, die auch in der Praxis arbeitete.


Die männlichen Richter gaben dem Arzt auch in zweiter Instanz recht und begründeten das damit, dass Führungspersonen Angestellte entlassen dürften, die ihnen als Bedrohung der eigenen Ehe erschienen. Die Anwältin der Arzthelferin krititisert das Urteil unter anderem mit dem Argument, es eröffne Männern einen Weg, sich vor Klagen wegen sexueller Belästigung zu schützen, indem die belästigte Angestellte einfach gefeuert werde.


Sexuelle Wirklichkeitskonstruktion lässt sich hier schön zeigen, wie man (mindestens) drei  Fragen durchbuchstabieren kann:


1. Wieweit ist Unwiderstehlichkeit eine Eigenschaft der Frau und nicht eine Eigenschaft des männlichen Blicks? 2. Wie hält die Arzthelferin (zB durch die Klage über ihr Sexleben) das „Problem“ am Leben? 3. Gäbe es ohne die Intervention der Ehefrau überhaupt etwas, das man „Problem“ nennen könnte?


Ich finde den Fall ein verrücktes Beispiel dafür, wie es drei Akteure schaffen, sich aus einer offensichtlichen Täter-Position in eine Opfer-Position hineinzuargumentieren  und jeweils unschuldig auszusehen:


(A) Der arme verführte Arzt, der die Helferin anbaggert. (B) Die unwiderstehliche Helferin, die ihn zum unwiderstehlich finden einlädt. (C) Die hintergangene empörte  Ehefrau, die die Rivalin erfolgreich vertreibt.