Wirklichkeitsemulation! (M)ein Weckruf urbi et orbi 2

Diesem Artikel geht folgender voran: Wirklichkeitsemulation! (M)ein Weckruf urbi et orbi



Das Zeitalter der Digitalisierung war/ist das Zeitalter der Beschleunigung von Datenverwaltung, der Binärcodes, der immensen Erleichterung von Entscheidungsprozessen, der maschinell und algorithmisch gestützten/forcierten Sammlung, Speicherung und Organisation von Daten und der damit verbundenen weiteren Einsparung menschlicher Arbeitskraft. Es war/ist das Zeitalter der Umstellung von analoger auf digitale Datenverarbeitung, auf die Verarbeitung von Daten in Form von Zahlen.


Bestimmt haben viele schon einmal das Zickzackmuster der Kurve einer analog aufgenommenen Tonprobe gesehen. Vielleicht haben Sie sich auch schon mal mit der technischen Geschichte der Tonträger befasst. Zumindest ältere Generationen erinnern sich noch an die Zeit der Schallplatten und Tonkassetten und an Filmrollen und an Magnetbänder zur Videoaufzeichnung.


Analoge Tonaufnahme und auch analoge Bildaufnahme zeichnen relativ weniger scharf und präzise auf und produzieren bei Aufnahme und Wiedergabe Distortion. Analoge Aufnahmen von Analogen Aufnahmen werden immer blasser, verschmierter und verrauschter. Digitale Aufzeichnungen können höher aufgelöst und mit weniger Distortion angefertigt werden und ohne Schärfeverlust, (beinahe) gleich reproduziert werden. Analoge Datenträger haben viel engere Kapazitätslimits als digitale, und digitalisierte Daten können in viel engeren Raum gepackt werden. Jedoch kommt Digitalisierung – mit unseren heutigen Computern basal 0/1-Codierung – mit einem schweren, erstaunlich menschlich anmutendem Problem daher: Digitalisierung muss bereits im Aufzeichnungsprozess viel mehr als analoge Aufzeichnung filtern, was aufgezeichnet werden soll und was nicht – Digitalisierung benötigt ein klares Interpretationsmodell, um Empirie als Zahlen in Daten zu speichern, die dann später wieder informativ genutzt werden können.


Die Auswirkungen der Digitalisierung waren/sind gewaltig. Sie bestehen fort. Sie setzen sich fort. Insbesondere darin wie wir Tag für Tag immer schneller mit immer neu(er)en Produkten versorgt (?) werden und darin wie täglich weitere menschliche Arbeitskraft durch Digitalisierung eingespart/obsolet wird.


Ob mit Digitaluhr oder digitalem Taschenrechner, Home-PC oder Notebook, mit DVD oder GPS, Handy oder iPhone, mit Bordcomputern in Schiff, Flugzeug oder Auto, ob mit Digitalkamera oder Tablet, per Funk, Glasfaserkabel oder WLAN ist die Digitalisierung in wenigen Jahrzehnten in alle Lebensbereiche vorgedrungen, und sie hat uns verändert.


Schauen wir uns kurz am Beispiel Musikindustrie an wie leise schleichend, tiefgreifend schrill und schnell umwälzend Digitalisierung uns, Gesellschaft und Welt verändert (hat). Vor fünfzig oder mehr Jahren war es vielen Musikern noch möglich, wenn auch nicht gerade leicht, mit Aufnahme von Schallplatten und Live Auftritten zu hinreichender Bekanntheit, vielleicht sogar Berühmtheit, zu gelangen, um per Tantiemen und Gagen ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Konkurrierende Schallplattenproduzenten waren bereit in ihre Musiker zu investieren, Live Veranstalter lockten auch unbekanntere Musiker mit akzeptablen Gagen und vor allem wurden Live Musiker viel mehr und häufiger von öffentlichen Lokalen und für diverse öffentliche Veranstaltungen engagiert und bezahlt, weil Musik aus der Dose in Bild und Ton noch nicht so qualitativ hochwertig, billig und einfach zu bekommen war wie heute.


.MP3, iPod und YouTube haben die alte Musikindustrie in kürzester Zeit plattgewalzt und begonnen, ihre eigene Landschaft zu gestalten. Viele etablierte industrielle Player verschwanden, weil sie sich nicht anpassen konnten. Und der professionelle Künstler ist noch viel mehr zum durchlaufenden Posten geworden als er das zuvor bereits war. Außerdem erwarten wir zunehmend von ihm/ihr, dass er/sie ihre/seine Kunst zum Hobby macht, ehrenamtlich arbeitet oder sich doch damit begnügen kann, dass wir sie/ihn wahrnehmen und gefällt mir klicken … wie er/sie seine Kunst finanziert? … tja, wenn es nichts einbringt, dann taugt es ja wohl nichts …


Die Kosten der analogen Produktion und Vervielfältigung waren im Vergleich zur digitalen gewaltig. Deswegen hatten Musikproduzenten ein Interesse daran und waren daran gewöhnt, in ihre Künstler langfristig einzuzahlen, um den Wert ihres Produktes zu steigern. Mit Digitalisierung kann heute jeder zu Hause im Heimstudio oder gar mobil günstig qualitativ hochwertige Tonaufnahmen anfertigen und vervielfältigen. Das ist schön für jeden, der Freude an Musik hat, kann aber für den spezialisierten Musiker auch zum Problem werden, wenn er wirtschaftlich darauf angewiesen ist, die Kosten seiner Spezialisierung in Marktwert zu transformieren, um Einkommen zu generieren, oder wenn er anderen den Nutzen seiner Spezialisierung in Musik begreiflich machen möchte. Mit Digitalisierung hat die Musikindustrie noch viel weitreichender als zuvor auf Handel mit Verwertungsrechten und Handel mit Musik als Transportmittel für Image, Mode, Werbung und Selbstbeschreibung umgestellt. Musikindustrie heute macht ihre Gewinne hauptsächlich mit der Massenverbreitung des fertigen Produkts, das irgendwie jeder herstellen kann. Kurzlebigkeit und Konformität sind erwünscht, gut ist, was viele mögen, altes, komplexes, schweres wird, wenn nötig, aus der elitären Nische mitgenommen … der digitale Musiker und seine Musik müssen eigentlich gar nicht mehr musikalisch sein, solange die Masse sie/ihn mag, wird sein/ihr Image gewinnbringend verbreitet. So vervielfältigt Digitalisierung Massenmusik und Massengeschmack. Sie befreit den Konsumenten vom Künstler und vom Konzert, macht es möglich, dass ganze Generationen auf Musik als Untermalung für leicht bestimmbare Formen von Selbstbeschreibung konditioniert werden.


Wir laufen auch Gefahr zu verlernen, Qualitäten von Musik unterscheiden zu wollen: Wem hören wir zu? Dem genialen Geiger, der komplexe Komposition und Improvisation live vorträgt oder der gefälligen von Jedermann per Software fabrizierten und arrangierten Dosenmukke?


Wir können Digitalisierung einsetzen, um reduktionistische Kopien zu vervielfältigen oder um komplexes Individuieren zu ermöglichen. Derzeit geht der Trend eher zu Ersterem. Wenn wir mehr von Zweiterem wollen, müssen wir natürlich unser Wirtschaftssystem verändern und der Bereitschaft andere – Andersdenkende und Anderslebende – mitzuversorgen und zu fördern einen viel höheren Wert geben.


Moden, Stile, Richtungen … Digitalisierung ist zum Mittel der Massenformation geworden und stellt den Einzelnen auf ganz neue und überfordernde Weise vor die Frage nach seiner Identität. Das Problem der Qualitätsabfrage hat auch hier die Selektionsmechanismen modifiziert. Heute kann jeder mit seinem Handy halbwegs brauchbare Bilder schießen … das Ganze noch in Richtung Sonnenuntergang und Schwarz/Weiß und man hält sich für einen neuen Ansel Adams. Auf Facebook philosophiert sich die halbe (? Tendenz steigend) Menschheit die Welt zurecht und es ist nicht nur mangelnde Ausbildung, die verhindert, dass man die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen sortiert bekommt. Viele Volksphilosophen sind Resultat von Digitalisierung, aber vor allem sind sie Co-Konstrukteure in Wirklichkeitsemulation.


Es war/ist die Digitalisierung, mit der die Informationsschwemme kam/kommt, die weder vor Privathaushalten, noch vor Ämtern, Büros, Unternehmen und Universitäten Halt macht(e).


Informationsschwemme motiviert Wirklichkeitsemulation und Informationsschwemme macht es heute immer schwieriger „echte“ Innovation zuzulassen und individuelles und universelles Genie zu erkennen, zu leben und zu nutzen.


Was für uns Menschen in unserer Alltagsrealität fließende, analoge, mehrdimensionale Konzepte sind, wurde diskret gezählt in digitale Räume übertragen. Wir lernten, an Pixeln Bilder zu formen, und nutzen heute Datenblöcke, um Texte, Bücher, Filme, Tonfolgen und Geräusche zu produzieren. Nie zuvor wurde das Passen der Konstruktivistischen Perspektive deutlicher, die Vernunft von Erkenntnislogik und der Sinn von Systemtheorie – aber wen wundert’s, Menschen können halt nicht verhindern, dass Denken an ihnen wächst. Könnte der Mensch nicht konstruieren, würde die digitale Welt nicht existieren/funktionieren.


Der Diamant, den wir vor Ort vor uns sehen, ist ein völlig anderes Phänomen als der im analog gewonnenen Foto, und der nochmal ein ganz anderes als der digital erzeugte. Wir sind die Schöpfer unserer Wirklichkeit. Wir sind die Meister, die das Gras grün machen und die die FORM des Diamanten konstruieren, auch und besonders dann, wenn wir auf Facebook gehen und da ein Bild von ihm auf der Chronik einer Freundin finden. Sie interagieren allein mit der Maschine und mit anderen gemeinsam auf/in emulierten Plattformen/Systemen und wir nehmen alles, was dort passiert, ganz wie im Fall der Börse, buchstäblich für „bare Münze“.


Um Wirklichkeitsemulation noch besser zu begreifen, benötigen wir neben Algorithmisierung und Digitalisierung einen weiteren Begriff: Vernetzung.


Wer heute vor den Folgen von Digitalisierung und Algorithmisierung warnt, ist wie der Mann der sich 1969 in New York auf den Times Square stellt und drohend ausruft: „The Automobile will radically change the future structure of our cities!“


Nein, mit Folgen von Algorithmisierung und Digitalisierung sind wir vertraut. Wir leben mitten drin! Sicherlich wird Technik weiter und schneller voranschreiten, aber Digitalisierung ist ein bekannter Raum, in dem wir Konsequenzen recht gut abschätzen können.


Wenn Politik und Politiker weiterhin auf ihren Fehler bestehen, Grundversorgung und Grundeinkommen nicht von „nützlicher“ Arbeit entkoppeln zu wollen, weil sie glauben zu wissen, was für die und in der kommende Gesellschaft nützlich ist, oder weil sie glauben, Digitalisierung brächte wie Industrialisierung letzten Endes doch wieder mehr Lohnarbeit für alle, oder weil ihnen die Kraft fehlt, die Menschen ehrlich darüber aufzuklären, wo sie tatsächlich stehen, heißt das nicht, dass auch wir blind durch den digitalen Raum taumeln müssen, ohne Konsequenzen analysieren zu können. Wer sich weiter von Heil versprechenden Mythen wie „guter Lohn für ehrliche und harte Arbeit“, „soziale Gerechtigkeit durch staatliche Regulierung“ und „gesellschaftliche Stabilität über einkommensabhängige Arbeit mit Aussicht auf Rente“ leiten lassen will, dem ist nicht zu helfen. Für alle anderen ist es an der Zeit damit aufzuhören, der Zeit hinterherzuhinken und sich mit dysfunktionalen Termini den Blick auf das zu verstellen, was der Fall ist und was kommen wird.


Was Politik angeht: Die sollte sich dem gegenüber, was bereits begonnen hat, und vor dem, was noch auf uns zukommen wird, wirklich komplett neu aufstellen. Digitalisierung und Algorithmisierung sind schon längst da, etabliert … angerichtet …


Wir brauchen umsichtige, kluge, gebildete Männer und Frauen, die sich auf systemisches und konstruktivistisches Denken verstehen, die sich nicht schämen, aus (()) der Vergangenheit zu lernen, und die bereit sind, einen mutigen Blick in die Zukunft zu werfen.


Emanzipierte und integrierte Menschen müssen als Berater in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik tätig werden – nicht korrumpierbar, ihre Meinung nicht daran ausrichtend, wo ihr Reistopf hängt. Warum das heute wichtiger denn je ist? Weil Wirklichkeitsemulation die Konfrontation mit den Massen und mit Global Playern verschärft! Das sind die, mit denen man sich anlegen können muss. Politiker, Bürokraten und Diplomaten sind nicht mehr allein das Problem. Durch Wirklichkeitsemulation werden die Massen immer formbarerer und so nutzen Global Player die Massen immer ungehemmter als Instrument und binden sie strukturell in Wirklichkeitsemulation ein, wobei sie sich umgekehrt auch an den Konsum- und Selbstgestaltungswünschen der Massen orientieren. Politiker werden noch austauschbarer, noch unqualifizierter und verlieren zunehmend an Macht und Wirkkraft. Ich kann mir kaum Gruseligeres vorstellen als die durch solche Rückkopplungen verwirklichbaren Dystopien.


Die lokal entstandenen Konzepte von Polis, Nation und Staat und die mit ihnen verbunden Formen der Politik werden von Wirklichkeitsemulation auf der non-lokalen/globalen Spur überholt …


Vernetzung ist kein neues, kein junges Phänomen. Seit wir siedeln und Handelsbeziehungen aufbauen, spielt sie eine Rolle in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Straßenbau war bereits im alten Rom Mittel (und Grenze) der Machtausübung. Eisenbahnnetze haben die effektive und brutale Eroberung der Länder der amerikanischen Ureinwohner möglich gemacht. Schiffahrtsnetze bildeten das Fundament der Macht von Kolonialmächten wie Spanien, Portugal, Holland, England, Frankreich und auch Deutschland. Das Flugzeug konnte die Welt nochmal schneller umrunden und war Auslöser für erneute Reorganisation von Macht- und Logistiksystemen. Und mit dem Telegraphen und später dem Telefon tat die Menschheit dann erste Schritte in Richtung virtueller Globalisierung.


Auf dem bereits 1969 realisierten Arpanet aufbauend folgte in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts das Internet und 1991 ein Hypertext-System als seine Bedienoberfläche, das WorldWideWeb von Tim Berners-Lee und Robert Cailliau, welches Berners-Lee erstmals 1989 im CERN vorstellte.


Seither haben sich Präsentation und Tempo natürlich quantitativ und qualitativ immens gesteigert. Die Virtualisierung, der virtuelle Raum, macht die Träume der Magier und Alchemisten des Mittelalters wahr: Wir beschwören Hilfsgeister in Form der Künstlichen Intelligenz, die mittlerweile selbst Algorithmen schreibt, wir schaffen Astrale Räume als Formen des WorldWideWeb und von Virtual Reality, und mit Augmented Reality fällt die Grenze zwischen alltäglicher Wirklichkeit und emulierter nun auch vor Ort. In Internetmedien konstruieren die Menschen gemeinsam (alternative) Wirklichkeiten. Globale Virtualisierung bringt Wirklichkeitsemulation zur Welt. Auf deren Kindeskinder, künstliche (oder besser emulierte) Intelligenz(en), treffen wir schon überall – auch sie ist nicht „im Kommen“, denn wenn Sie ein halbwegs modernes Auto fahren, reguliert eine KI wahrscheinlich schon Ihr Bremssystem.


Wer heute nur von (kommender) Digitalisierung spricht, überblickt den Umfang der Veränderungen, Teil derer wir sind, nicht und wird ihre/unsere Probleme, Herausforderungen und auch Chancen nicht adäquat beschreiben können. Da fällt mir doch gleich auch jene Sorte Mensch ein, die es fertig bringt, am Computer (Digitalisierung) sitzend auf Facebook (Wirklichkeitsemulation) Konsens darin/darüber zu suchen, dass der Verstand und die Logik überbewertet seien, dass der Mensch ja viel mehr ist und diese beiden auch eigentlich (()) gar nicht braucht und dass die Digitalisierung aus den Menschen noch Sklaven machen wird …


Wie leicht übersieht man doch, was einen Donald Trump möglich macht und einen Elon Musk und Mark Zuckerberg und fnord und wie moderner Nationalismus und Chauvinismus zustande kommen und sich über Medienpräsentation und Wirkweise von Vorläuferideologien unterscheiden. Wie leicht ignorieren wir doch die schleichende Änderung unserer Wertesysteme und die Tatsache, dass wir die Schwelle in eine neue und ganz andere Welt überschritten und damit vielleicht unabsichtlich, aber dennoch irreversibel einen neuen Abschnitt in der Entwicklung der Menschen und ihrer Gesellschaft eingeläutet haben.


Ich hege den Verdacht, dass Ursache für die Unfähigkeit, Wirklichkeitsemulation zu erkennen und statt dessen nur in Konzepten von Digitalisierung zu denken, eine eher materialistisch organisierte Weltanschauung ist. Lässt man die sozialen und kognitiven Veränderungen, die mit Algorithmisierung, Digitalisierung und Vernetzung kommen, außen vor, nimmt man Phänomene wie Facebook einfach nur als eine Art Internetplattformtechnologie wahr und realisiert nicht, wie sich Menschen in den FORMen des Internets anders organisieren – sozial und kognitiv. Wer Intelligenz nur als Problemlösefähigkeit begreift und die Welt allein gegenständlich betrachtet, bekommt natürlich die Komplexitätsverarbeitungsprobleme, die in Wirklichkeitsemulation wachsen, nicht wirklich mit.


Man macht den Kapitalismus verantwortlich und sieht nicht, dass der schon lang passé ist. Man hält Globalisierung für ein materielles Problem und blendet aus, dass sich heute mehrsprachige Menschen über die Grenzen ihrer Nation hinweg in komplexen sozialen Strukturen vernetzen und darauf gemeinsam geschaffene (emulierte) Wirklichkeiten aufsetzen, die sich dem zweidimensionalen territorialen Denken komplett entziehen. Dann fällt Vielen auch nicht auf, dass fast die gesamte politische Diskussion noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts festhängt. Und man kann es für die Dummheit einzelner halten, wenn sie versuchen Probleme aus Wirklichkeitsemulation mit Modellen zu lösen, die noch nicht einmal im Humanismus angekommen sind. Aus solcher Sicht kann Warum oder Wozu ja gar nicht effektiv beantwortet werden, weil man nicht erkennen kann, dass wir es verabsäumt haben, systemisches Denken zu vermitteln.


Ist ein Mensch komplexitätsüberschüttet, versucht er dem zu entkommen – es sei denn, er hat gelernt, mit höheren Komplexitäten umzugehen. Buchstäblich, bildlich und tatsächlich in (emulierten) Wirklichkeiten auf Millionen, ja Milliarden andere Menschen, Andersdenkende zu treffen, das ist ein Schock, den müssen Nervensystem, Verstand und Gefühl erst einmal verarbeiten. Fritz B. Simon hat eine einfache Umschreibung dafür, was derjenige tut, der wahnsinnig wird: Er greift auf evolutionär ältere Programme zurück.


Wir treten in eine neue Ära ein: die Zeit der Wirklichkeitsemulation!


Menschen treffen in virtuellen Räumen aufeinander. Dort (re)konstruieren sie und dort passiert ihnen (ungehemmt alternative) Realität. Gewohnte Kontrollmechanismen werden/sind außer Kraft gesetzt. Neue Selektionsmechanismen formen sich.


Die FORMung der Systemtheorie im Sog dieser Wende ist kein Zufall, keine pure Koinzidenz, sondern der bewusste Versuch, für Phänomene, die gerade erst am Horizont Gestalt annehmen, Modelle zu generieren, die uns dazu befähigen, Wirkmechanismen der neuen Zeit zu (be)greifen.


Der Widerstand gegen sie resultiert aus dem Automatismus, emergente Probleme von heute mit Lösungen und Begriffen von gestern zu fassen.


Systemik und Systemtheorie müssen sich von dem Dogma lösen, Urteile nur aus dem Elfenbeinturm heraus zu fällen, denn während Sie das noch versuchen, findet in der Welt gerade erneut statt, was Menschen in ihrer Vergangenheit und in diesem Ausmaß vielleicht erst dreimal erlebt haben: ein Emergenzsprung, der bis an die Grundfesten reichende Restrukturierung und Reorganisation unserer gesellschaftlichen Wirklichkeitswahrnehmung und Wirklichkeitsgestaltung in Gang bringt.