Plädoyer gegen die Verrohung der Sprache
Unter der Überschrift „Hetzparolenindustrie“ hält die Publizistin Dagmar Leupold in der ZEIT ein flammendes Plädoyer gehen die Verrohung der politischen Sprache und schreibt: „Man möchte kotzen angesichts der bürokratischen – mal euphemistischen, mal bedrohlichen – Wortmonster, die in jüngerer Zeit entbunden werden: Flüchtlingswelle (statt Migrationsbewegungen), Obergrenze (statt beispielsweise Untergrenze: wie viele Geflüchtete nehmen wir mindestens auf), Achse der Willigen (statt Solidargemeinschaft), Fiktion der Nicht-Einreise (statt, im Klartext, Zurückweisung), Kontingent, Familiennachzug (statt Familienzusammenführung), Auffanglager, Transitzentren, Anschiffungszentren, Frontex. Frontex wie TippEx oder wie ex und Hopp!“
Leupolds Beobachtungen passen sehr gut zu den Analysen der Kognitionswissenschaftler George Lakoff und Elisabeth Wehling. Diese beschreiben in „Auf leisen Sohlen ins Gehirn – Politische Sprache und ihre heimliche Macht“ ein linguistisches Phänomen, das Reframing. Sie zeigen, dass Sprachschöpfungen wie „Krieg gegen den Terror“ oder „Achse des Bösen“ das Denken umformen, unser Gehirn auch physisch verändern und damit unsere Sicht auf die Welt. Das Buch wirft ein neues Licht auf Fragen der politischen Identität, der Moral und religiöser Werte oder der Rolle von Medien und Berichterstattern.
Zu den schärfsten Kritikern des neuen politischen Jargons zählen auch Bernhard Pörksen und Rolf Arnold mit ihren Publikationen.
Carl-Auer-Literaturtipps:
George Lakoff, Elisabeth Wehling „Auf leisen Sohlen ins Gehirn – Politische Sprache und ihre heimliche Macht“
Rolf Arnold: „Ach, die Fakten – Wider den Aufstand des schwachen Denkens“
Heinz von Foerster, Bernhard Pörksen: „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners –Gespräche für Skeptiker“