Andreas von Bernstorff in der Rhein Neckar Zeitung

Die Zerstörung 1945 von Dresden sitzt tief im Gedächtnis der Stadt. Das massive Bombardement forderte etwa 25.000 Todesopfer. Es wurden große Teile der Innenstadt und der industriellen und militärischen Infrastruktur Dresdens zerstört. Für sechsstellige Opferzahlen, die von der NS-Propaganda in die Welt gesetzt wurden, gibt es keine stichhaltigen Belege. Die Zerstörung Dresdens ist bis heute Gegenstand des friedlichen Gedenkens, wird seit Ende der 90er-Jahre aber auch regelmäßig von Rechtsextremisten für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert.


Unter dem Titel „Geschichte einer missbrauchten Tragödie“ schreibt Andreas Graf von Bernstorff zum Gedenken an die Zerstörung über die Verdrehung der Opfer-Täter-Rollen in der Rhein-Neckar-Zeitung. Der Text ist eine Kurzfassung des Artikels „Bombenholocaust“ aus seinem neuen Buch „Rechte Wörter. Von Abendland bis Zigeunerschnitzel“.


 


Am 13. und 14. Februar 1945 wird ein großer Teil der Dresdner Innenstadt durch alliierte Bomber in Schutt und Asche gelegt. 25 000 Menschen kommen ums Leben. Das Gedenken an die Opfer dieser Tage ist wie kein Zweites selbst ein Kriegsschauplatz politischer Propaganda. Joseph Goebbels gelingt es schon im sel- ben Monat, weltweit Entsetzen und Scham wegen des Bombardements auf die „europäische Kulturstadt“ zu wecken. Die NS-Parole ist „anglo-amerikanische Luftgangster“. Die neue Staatspartei SED übernimmt wörtlich diese Luftgangsterdiktion und behauptet, die antikommunistischen Westalliierten hätten den auf Dresden vorrückenden Sowjets das schöne Dresden nicht gegönnt und den Neuaufbau in ihrer Besatzungszone untergraben wollen. Die DDR-Führung als „Friedensmacht“ begeht den Jahrestag 1950 als Kampagne gegen die „amerikanischen Kriegshetzer ... die bestialische Ermordung“ so vieler Dresdner, „das sind die Visitenkarten der profithungrigen, blutrünstigen anglo-amerikanischen Imperialisten.“ Unter dieser Propaganda wird jede persönliche und private Äußerung von Trauer und Gedenken im öffentlichen Raum erstickt. Die Menschen als Zeugen, Überlebende und Hinterbliebene treten erst nach der Wende hervor. Und seitdem wird das Gedenken von allen Kriegsparteien offiziell im Geist von Versöhnung und Völkerverständigung begangen. So auch dieses Jahr mit Gästen aus Coventry. Nicht aber bei den Rechten: Die holen in den 1990ern den britischen Historiker David Irving nach Dresden, der – Kronzeuge aller deutschen Rechtsextremisten – Auschwitz leugnet und schon seit 1977 einen „Dresdner Bombenholocaust“ konstatiert. Da ist es, dies Wort, das den einen Opfern ihre Würde nimmt und die anderen Opfer in Dienst nimmt für die rechte Legende: Die Deutschen sind die Opfer und die anderen sind die Täter. Der Ausdruck stammt aus den Prozessakten von Nürnberg 1946, der Vernehmung des NS-Staatssekretärs Gustav Adolf Steengracht von Moyland: „Holocaust of Dresden“. Die NPD trägt das Wort in Sachsens Landtag und unterstellt den Alliierten eine „lange geplante Vernichtung“ von Deutschen, AfD-Leute verwenden das Wort. Für den 15. Februar mobilisieren Nazis ihre Kameraden unter der Parole „Schutz für unser deutsches Volk“.

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