Organismus, Psyche, soziale Systeme - oder Ich, Du und die anderen ... ? Zur DGSF Tagung in Oldenburg
Für das jährliche Großereignis des größten Dachverbandes systemischer Forschung, Therapie und Beratung könnte man tippen: Version 1. Da sind drei Kernbegriffe systemischer Konzeptbildung angesprochen. Es fehlen Umwelt, Kopplung, Autopoiesis u.a., aber die erschließen sich ja aus der Verwendung der anderen, wenn man systemtheoretisch unterwegs ist - und umgekehrt.
Über der Tagung titelt aber Version 2. . Das macht durchaus Sinn. Es sind ja diese „alten“ Begriffe Ich, Du, der Andere, die über die lange Tradition philosophischen Denkens in die neueren Wissenschaften hineingeflossen sind, bis hin zu Psychologie und Gesellschaftstheorie. Das hatte und hat große Auswirkungen – allerdings auch problematische – in der Praxis von Beratung, Konsultation, Psychotherapie und deren Verwandten.
In jedem Fall hält die Verwendung der klassischen Begrifflichkeit aber den Anschluss an die fundamentalen Fragen menschlichen Daseins, wie sie sich seit Jahrtausenden immer aufs Neue ergeben, und damit den Anschluss an viele daraus erwachsene Konzepte, wie viel oder wenig hilfreich diese auch sein mögen. Im Kern geht es ja genau darum: Besser leben in allen Bezügen: Ich, Du, und die Anderen.
War aber nicht der systemic turn einer, der diesen Fragen andere Fundamente unterlegen wollte – oder eigentlich: gar keine Fundamente, sondern ständige Aktivität des Unterlegens, Operierens, Schließens und Koppelns; kurz: die Idee der Autopoiesis und der Leitunterscheidung von System und Umwelt? Verstehen sich von dort her Ich, Du und die Anderen völlig neu? Oder etwa nicht?
Die Tagung verspricht, dazu spannenden Dissens und neue, hilfreiche Irritationen zu bieten. Es ist zu hoffen und durchaus zu erwarten, dass der Blick auch dorthin geht, wo noch ganz andere Impulse herströmen. Ideen, die sich in professioneller Praxis mehr als bewährt haben – wie etwa Ego-State-Therapie, PEP und körperorientierte Konzepte und Methoden. Innovation ist keine Einbahnstraße, sondern gleicht oft eher einem Verkehrsprojekt im Bau mitten in der Rush Hour. Hier Sorge zu tragen, dass keine Einbahnstraßen daraus gebastelt werden, ist nicht leicht – aber unverzichtbar. Die DGSF kümmert sich auch darum. So let´s jazz.