Vermögen – ein prägender Kontextfaktor für Sozialisation und Aufwachsen in Unternehmerfamilien
Unternehmerfamilien können sehr vermögende Familien sein, also Familien, die durch die Eigentümerschaft an einem Unternehmen sehr wohlhabend sind. Oft ist das Vermögen jedoch nicht frei verfügbar, sondern im Unternehmen gebunden, sichert als Eigenkapitel des Unternehmens dessen langfristige Existenz und Krisenbeständigkeit. Dennoch können Unternehmerfamilien, die ein erfolgreiches Unternehmen besitzen, oft ein Leben führen, das im Vergleich zu Familien ohne Unternehmen als luxuriös erscheint. Auch wenn das deutsche mittelständische Familienunternehmertum durch seine tradierten Werte der Bescheidenheit und Sparsamkeit bekannt ist, hat das soziale Umfeld oft einen anderen Blick auf Unternehmerfamilien. Die Familien werden aufgrund ihrer Eigentumssituation bzw. als Unternehmensbesitzer als privilegiert wahrgenommen. Möglicherweise machen sie auch teurere Reisen, die Urlaubsreisen scheinen, die aber nicht selten mit Geschäftsreisen verbunden sind, leisten sich größere Eigenheime als der Durchschnitt oder bieten ihren Kindern private, d.h. kostenpflichtige Bildung.
Spätestens mit dem Eintritt in die Schule merken die Kinder, dass sie eine andere Familiensituation haben als ihre Klassenkameraden. Wenn der Unternehmensbesitz in der Schule bekannt wird, dann werden die Kinder manchmal auch von den anderen Kindern oder von Lehrern mit ihrer Zugehörigkeit zu einer vermögenden Unternehmerfamilie konfrontiert. Das kann zu Situationen führen, die den Kindern aus Unternehmerfamilien unangenehm sind. Denn sie werden dadurch in ihrer Gruppenzugehörigkeit infrage gestellt, sie bekommen einen herausgehobenen Platz zugewiesen, fallen tendenziell aus der Klassengemeinschaft heraus. Damit einher gehen manchmal Zuschreibungen, dass Geld für diese Kinder kein knappes Gut sei, dass sie sich doch ohnehin viel mehr als andere leisten könnten etc.
Wenn Kinder ihre Eigentums- und zugeschriebene Vermögenssituation in dieser Weise erleben, kann dies mit der Zeit Scham auslösen und den Wunsch stärken, die eigene Familien- bzw. Unternehmenszugehörigkeit in Peer Groups so lange wie möglich zu verschweigen oder gänzlich verdeckt zu lassen. Zudem werden gerade dadurch die tradierten Werte des deutschen Familienunternehmertums auch bei den Kindern gestärkt, nämlich bescheidenes Auftreten bzw. eine Haltung des Understatements. Zugleich entwickeln viele Jugendliche und junge Erwachsene aus Unternehmerfamilien eine besondere Strebsamkeit und Leistungsorientierung, die als Reaktion auf die Zuschreibungen von außen verstanden werden kann. Denn diese jungen Menschen wollen nun auch durch eigenen Erfolg zeigen, dass sie es „wert“ sind in einer vermögenden Unternehmerfamilie geboren zu sein, aufzuwachsen und dazuzugehören.