Die Zeiten der Helden sind vorbei!

Heute schauen alle auf das Wahlergebnis in den USA. Es ist überraschend angesichts der Prognosen, die Clinton als Favoritin sahen. Das Ergebnis ist zudem erstaunlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, mit welchen Rezepten Trump im Wahlkampf aufwartete, um die zentralen Fragen gegenwärtiger gesellschaftlicher Probleme zu beantworten. Denn hier zeigte sich nichts anderes als der Versuch, der unermesslichen Komplexität unserer heutigen Probleme mit trivialen Antworten zu parieren. Trump versuchte im Wahlkampf, mit seinen Komplexitätsreduktionen glaubwürdig zu machen, dass er die Stellschrauben kenne und auch an diesen drehen könne, um die USA in einen Zustand zurück zu führen, der ihrer vermeintlichen Größe als Weltmacht entsprechen würde. Dies offenbart seine große Selbstüberschätzung.


Eine hochgradig differenzierte Gesellschaft lässt sich nicht mit vermeintlichen Stellschrauben aus den Angeln heben, nicht in planbarer Weise zielgerichtet verändern. Genauso wie uns das Wahlergebnis angesichts der Prognosen überrascht hat, können wir uns überraschen lassen, welche Dynamiken die Wahl von Trump anregen wird. In einer funktional differenzierten Gesellschaft offenbart sich die Politik als ein Teilsystem unter anderen, das die gesamte Gesellschaft, besser: ihre unterschiedlichen Systeme, etwa Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Erziehung, Religion etc. eben nicht determinieren, nicht steuern oder zielgerichtet planen kann.


Die Wahl von Trump sowie der weltweite Auftrieb ähnlicher autoritärer und narzisstischer Politiker könnten als Wunsch der Wahlbevölkerung gedeutet werden, die soziale Welt mit ihren nicht-trivialen Dynamiken zu trivialisieren. Dieser Wunsch wird sich früher oder später als unerfüllbar, als schiere Illusion zeigen.  


Die kommende Desillusionierung könnte sich zugleich als befreiend und schmerzhaft auswirken. Jedenfalls sollten wir als Beobachter/innen dieser Prozesse nicht den gleichen Fehler begehen wie die, die wir beobachten: die Komplexität in zu vereinfachender Weise zu reduzieren. Denn wir können nicht wissen, wie sich dieses Wahlergebnis auswirken wird, in welcher Weise es die unterschiedlichen gesellschaftlichen Systeme aufstört und zu welchen Eigendynamiken es sie antreibt.


Die soziale Welt scheint derzeit eine Übergangsphase zu erleben, in der wir gewahr werden, dass wir vor neuartigen Problemen stehen, dass wir jedoch noch nicht wissen, wie diese in passender Weise reflektiert und bewältigt werden können. Viele von uns neigen offenbar dazu, auf althergebrachte Lösungen zu schielen, etwa autoritären Männern Kompetenzen zuzuschreiben, die diese am wenigsten ausbilden, geschweige denn realisieren können. Die Zeit der Helden ist vorbei!