Wirklichkeitskonstruktion durch systemische Aufstellungen

Systemische Aufstellungen können wir als Räume betrachten, die sich zwischen den Repräsentanten aufspannen, damit sich unsere Themen als Geschichten in diesen entfalten und wandeln können.


Unter diesem Motto machte ich auf der Tagung "Durch Geschichten wandern ... Narrative Psychotherapie und Nomadische Theorie" am 29.02.2020 an der Universität Witten/Herdecke ein für die Teilnehmer*innen und für mich äußerst interessantes Experiment: Ich arbeitete mit einer Gruppe von 26 Personen; fünf davon erklärten sich bereit, in einer gleich durchzuführenden Aufstellung als Repräsentanten mit ihren „repräsentierenden Wahrnehmungen“ zur Verfügung zu stehen. Die anderen 21 Teilnehmer*innen organisierten sich zu sieben Gruppen. In jeder Gruppe wurde ein Thema eines Gruppenmitglieds als zu bearbeitendes Anliegen ausgewählt. Dieses Thema wurde in der Kleingruppe hinsichtlich der Fragestellung, der beteiligten Personen bzw. der relevanten Aspekte besprochen. Zudem hatte jede Gruppe die Aufgabe, fünf Elemente (Personen oder auch Aspekte wie Ziele, Ressourcen, Hindernisse etc.) zu differenzieren, die das Thema prägen. Schließlich sollten diese Elemente mit den Buchstaben A bis E korreliert werden.


Nachdem dies erfolgt war, begann die Aufstellung mit den Elementen, die mit A bis E bezeichnet wurden. Jede Gruppe hatte nun die Aufgabe, diese gerade stattfindende eine Aufstellung als die eigene Aufstellung anzusehen. Mit anderen Worten, ich führte eine Aufstellung für sieben Themen zugleich durch.


Die Ergebnisse waren verblüffend: Alle sieben Themen-Einbringer*innen und Gruppen berichteten über ausgesprochene Passungen der Aufstellungsbilder bzw. der artikulierten Wahrnehmungen der Repräsentanten mit ihren jeweiligen Themen, fühlten sich von der Aufstellung sehr angeregt und konnten konstruktive Unterschiede in ihrer Thematik konstatieren. Diese Unterschiede machten sich fest an der Veränderung ihres Denkens, Fühlens und hinsichtlich der Handlungsimpulse bezogen auf das jeweils eingebrachte Thema.


Weder die Repräsentanten noch ich als Aufstellungsleiter kannte die Themen der Anliegen-Einbringer*innen. Was lässt sich nun daraus schließen? Zuallerst wohl dies: Aufstellungen ermöglichen uns offenbar die Intensivierung und Anreicherung dessen, was wir ohnehin ständig tun: (passende) Wirklichkeiten zu konstruieren!


Sicherlich kommt Weiteres dazu, und zwar die transverbale Raumsprache (Schlötter) sowie die Ausweitung unseres Bewusstseins während der Aufstellung durch die Intensivierung empathischen Erlebens im Körper. Eingebettet wird dies jedoch von der Wirklichkeitskonstruktion, die sich durch die wahrgenommene Struktur der Aufstellung und der Artikulationen und Bewegungen der Repräsentanten als ko-kreativer Prozess bei den Anliegeneinbriner*innen entwickelt und manifestiert.