autobahnuniversität / Luigi Boscolo - Key-Words in systemic-therapy

Kontext ist die Matrix der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Und der Fokus auf Sprache ist, so Luigi Boscolo in diesem in englischer Sprache gehaltenen Workshop aus dem Jahr 1992, die „third lense“ der Beobachtung, die die Multiperspektivität systemischer Therapie und Konsultation enorm bereichert.


Boscolo weist explizit darauf hin, dass hier nicht nur verbale Sprache im Fokus der Aufmerksamkeit liegt, sondern auch Gestik, Mimik und weitere paralinguistische Phänomene.


Nachdem sich das legendäre Mailänder Team um Mara Selvini Palazzoli, zu dem auch Luigi Boscolo gehört hatte, zuerst auf die Organisation von Zeit in Familiensystemen interessiert hatte (Koalitionen, Allianzen, Geheimisse und deren Entwicklung), kam mit Gregory Batesons Konzept epistemologischer Prämissen („unconscious assumptions with which one sees what he sees“) eine zweite Linse („second lense“) ins Spiel. Die dritte Linse („focus on langauge“) brachten das Autopoiese-Konzept von Humberto Maturana und Francisco Varela sowie der Konstruktivismus in seiner Prägung durch Heinz von Foerster und die Palo-Alto-Gruppe bei. Realität emergiert in Sprache: „There are as many realities as there are conversations“. Dies führte dazu, Schlüsselwörter bzw. Schlüsselbegriffe in die Betrachtung zu ziehen; polysemantische Wörter, über die eine große Varianz von Bedeutungen in die Organisation sozialer Systeme kommen kann. Als Beispiel aus dem politischen Feld nennt Boscolo Franklin D. Roosevelts Begriff New Deal.


Das Initiieren von Wandel durch das Initiieren der Irritation sprachlicher Bedeutungen steht im Zentrum dieses spannenden Workshops mit beispielhaften Fallgeschichten.


Luigi Boscolo (1932-2015) gilt als eine der Gründungsfiguren systemischer Therapie. Am Centro Milanese dei Terapia della Famiglia hatte er gemeinsam mit Mara Selvini Palazzoli, Gianfranco Cecchin und anderen völlig neue und kreative Konzepte und Methoden zur Behandlung mit psychotischen Patienten entwickelt, wie beispielsweise Zirkuläres Fragen. Das Mailänder Team schrieb Geschichte und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung weiter Bereiche therapeutischer Praxis.


Zwei Sätze aus Fritz B. Simons Nachruf auf Luigi Boscolo nach dessen Tod im Januar 2015 illustrieren dies:


"Paul Watzlawick erzählte mir, dass sie ihn zur Supervision nach Mailand eingeladen hätten und er ihnen nach einer Sitzung nur mitteilen konnte, sie hätten ihn nicht nötig, da sie schon weiter seien als er und seine Kollegen in Palo Alto."


"Der Einfluss der beiden Mailänder Männer - Gianfranco Cecchin und Luigi Boscolo - für die Praxis und Methodik der systemischen Therapie und Beratung ist meines Erachtens gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und wie bei vielen genialen Praktikern, die wenig oder ungern schreiben, ist auch bei ihnen zu befürchten, dass ihr Beitrag für die Entwicklung des professionellen Feldes unterschätzt und vergessen wird."


Ein Glück, dass dieser Workshop von der Autobahnuniversität aufgezeichnet wurde.


Ob im Auto oder mit der Maske in der Warteschlange beim Einkauf oder vor der Bank: Kopfhörer auf und Autobahnuniversität hören! Jeder Stau bringt Sie weiter …



Folgen Sie der autobahnuniversität auf Apple PodcastsSpotifySoundCloud oder Stitcher und verpassen Sie keine Folge mehr.