Die politische Aufgabe der Sozialen Arbeit - die Vision einer Paradoxie

Die paradoxe politische Aufgabe der Sozialen Arbeit könnte darin bestehen, Menschen dabei zu unterstützen, dass sie es schaffen, ihren auf die Politik gerichteten hoffenden Blick auf sich selbst zurückzuwerfen. Denn schon lange dürfte klar sein, dass Politik das nicht kann, was viele Bürger/innen von dieser immer noch einfordern: die Gesellschaft zum Wohle aller Menschen zielgerichtet zu steuern. Wer dies erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht.


Diese Enttäuschung mündet in zwei gegensätzliche Richtungen: Ein Teil der Enttäuschten fordert eine rigorosere Politik, ein Mehr-Desselben politischer Interventionen, damit endlich die zielgerichtete Gesellschaftssteuerung klappt. Dies führt dann etwa in die politischen Pole von links und rechts. Denn sowohl linke als rechte Politiker/innen versprechen mit ihren strikten politischen Programmen mehr Interventionismus des Staates. Ein anderer Teil der Enttäuschten erkennt bestenfalls, dass seine Erwartungen an die Politik unerfüllbar sind und dass es nur darum gehen kann, dass die Politik in Form des Staates Rahmenbedingungen setzt, Kontexte schafft, in denen die Menschen ihre eigenen Lösungen finden können, in denen es ihnen möglich wird, selbstbestimmt, autonom und mündig zu leben.


Genau an dieser Stelle setzt die politische Aufgabe der Sozialen Arbeit ein: Sie unterstützt Menschen sowohl als Individuen wie auch in ihrer Zugehörigkeit zu lebensweltlichen Gemeinschaften (etwa Familien, Freund- und Nachbarschaften) dabei, eigene Lösungen für soziale Probleme der Lebensführung zu finden. Diesbezüglich löst die Soziale Arbeit die Probleme jedoch nicht für die Menschen, sondern sieht diese als Anlass für zu initiierende und zu unterstützende gemeinschaftsbildende Prozesse der Problembewältigung.


Würde die Soziale Arbeit den Menschen versprechen, deren Probleme für sie zu lösen, trete sie an die Stelle der Politik und würde den beschriebenen Prozess wiederholen: nicht einlösbare Versprechen zu geben, die zwangsläufig zu Enttäuschungen führen.


Daher agiert eine auf der Höhe gesellschaftlicher Komplexität sich verortende Soziale Arbeit anders: Sie ist zur Stelle, wenn soziale Probleme der Lebensführung zu lösen sind, versucht aber selbst nicht, die Lösungen herbeizuführen, sondern aktiviert und stärkt alle Versuche der betroffenen Menschen, die Lösungssuche und -kreation in die eigenen Hände zu nehmen. Dies führt bestenfalls dazu, dass Menschen in solcher Weise zusammen kommen, dass sie lebensweltliche Prozesse des Gebens und Nehmens, der handlungsbezogenen Gegenseitigkeit erfahren, die das stiften, was Problemlösungen u. a. erfordern: soziale Solidarität.


Diese Solidarität wird jedoch nicht (politisch oder sozialarbeiterisch) verordnet, nicht als einseitiges Prinzip verankert, das die einen zum Geben, die anderen zum Nehmen verpflichtet. Die gemeinschaftliche Solidarität erwächst vielmehr aus der sozialen Reziprozität von Austauschbeziehungen zwischen Menschen, die wechselseitig bindende Verpflichtungen schaffen, auf die Menschen sich verlassen können.