Heinz von Foerster – lebendiger kann man kaum sein

Am 2. Oktober 2002 verstarb mit Heinz von Foerster (geb. 1911) einer der Menschen, die Wissenschaft und Wissenschaftsorganisation in entscheidender Weise neu ausgerichtet haben. An der Universität von Illinois (USA) gründete der in Wien geborene Physiker, Kybernetiker und Philosoph Mitte des 20. Jahrhunderts das inzwischen legendäre Biologische Computer-Laboratorium – die Wiege jener Erkenntnistheorie, die später unter der Bezeichnung „Konstruktivismus“ für Aufsehen sorgen sollte und weithin als gültig angesehene Grundprämissen zum Verständnis von Wahrheit, Wirklichkeit und wissenschaftlicher Sicherheit radikal infrage stellte.


Heinz von Foerster war mit seinen geistreichen Vorträgen und Kursen gern gesehener Referent und Gast, unter anderem bei Helm Stierlin und seinem Team am Institut für psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie in Heidelberg, wo er auch gemeinsam mit Niklas Luhmann und Francisco Varela „Wirklichkeitskonstruktionen der systemischen Therapie“ beobachtete und inspirierte. Bei den großen Heidelberger Konstruktivismus-Kongressen der 1990er Jahre verhalfen seine Beiträge tausenden von Teilnehmenden zu neuen Ideen und praktischen Impulsen. Sie wurden von der Autobahnuniversität aufgezeichnet und machen von Foersters Weitblick, die Radikalität und Genauigkeit seines Denkens und Forschens und – nicht zuletzt – seinen entzückenden Humor nach wie vor hörbar. Hier kann man erleben und direkt nachvollziehen, was ihn so kreativ, überzeugend und liebenswert machte.



Carl-Auer Bücher wie Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners und Wie wir uns erfinden dokumentieren Gespräche von Bernhard Pörksen und Ernst von Glasersfeld mit Heinz von Foerster und finden Jahr für Jahr eine Vielzahl neuer Leser:innen und Fans, genauso wie seine gemeinsam mit Monika Bröcker verfasste Autobiografie Teil der Welt. Ausgewählte Grundlagenwerke zum Konstruktivismus versammelt der Band Sicht und Einsicht, der als eBook erhältlich ist.


Timm Richter führte im Rahmen des Online-Seminars Formen reloaded im Sommer 2021 ein inspirierendes Gespräch mit Fritz B. Simon, dessen persönliche Erinnerungen ganz besondere Details eröffnen und die große Bedeutung Heinz von Foersters erneut lebendig werden lassen. Er hat mit Heinz von Foerster, dem „idealisierten Großvater der systemischen Szene im deutschsprachigen Raum“ (Simon), gemeinsam mit Paul Watzlawick bereits in den 1980er Jahren in Stanford zusammengearbeitet.