autobahnuniversität / Klaus von Beyme - Politik und Familie: Konvergenzen und Divergenzen

Mitte Januar 2021 fahren wir weiter mit der autobahnuniversität. Heute kommt der abschließende Post für 2020. Wir wünschen Ihnen gute Fahrt durch die Zeit „zwischen den Jahren“!


„Es wird viel gerudert, aber kaum je gesteuert.“ Leitspruch der forschenden Aufmerksamkeit eines Vortrages, den Prof. Klaus von Beyme, bedeutender Politikwissenschaftler und von 1974 bis 1999 Leiter des Instituts für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, beim berühmten Kongress „Science/Fiction – Über Fundamentalismus und Beliebigkeit in Wissenschaft und Therapie“ im Jahr 1996 in Heidelbergs Stadthalle hielt.


Über drei aus historischen Entwicklungszusammenhängen gewonnenen Perspektiven betrachtet Klaus von Beyme die Besonderheiten von Familie und Politik als System-Formen und ihre Bezüge untereinander.



  1. Politik und Familie haben sich auseinanderentwickelt 

  2. Es gibt aktuell (Mitte der neunziger Jahre) eine Wiederannäherung 

  3. Es gibt unterschiedliche Grenzen der Systemveränderung: Bei Familientherapeuten andere als bei Politikwissenschaftlern oder politisch Engagierten


In Bezug auf Forschungen von Michael Foucault und George Herbert Mead sowie die legendären Auseinandersetzungen zwischen Jürgen Habermas und Niklas Luhmann gelangt von Beyme zu einem ersten Zwischenfazit: Die wirtschaftliche Dynamik hatte das Konzept Familie ausgehöhlt; auch wenn, wie Mead es formuliert hatte, der Staat zunächst über die Clan- und Stammes-Organisation letztlich aus der Familie hervorgegangen war. Das ändert(e) sich aber noch einmal.


Die Semantik der Intimität als Besonderheit der Familie, wie Luhmann sie attestierte, wo andere Funktionen längst von Organisationen übernommen sind, und die daraus resultierende besondere Stellung von Liebe könnte laut von Beyme dazu verführen, zwei binäre Codierungen zu unterscheiden, nämlich einen binären Code der Politik: Macht/Nicht-Macht; und einen binären Code der Familie: Intimität/Nicht-Intimität.


Aber es ist nicht Familie allein, die diesen zweiten binären Code autopoietischer Schließung prozessiert. Und das gelingt auch dort längst nicht immer. Sonst wäre die Bedeutungsgeschichte der Familientherapie nicht zu erklären …


Besonderheit der Familie in modernen Zeiten ist eher: Familie kann sich nicht um alles kümmern bei ihren Kindern. Politik muss sich – anders als zu Zeiten Machiavellis – gedrängt von Stimmungen mehr und mehr und quasi überall einmischen.


Allein dieser Gedanke macht den Vortrag, gehört in der Umgebung heutiger Debatten und Ansprüche an Entscheidungen in pandemischen Zeiten, ausgesprochen aktuell und hörenswert.


Zum Abschluss formuliert von Beyme einen Trost für Familientherapeuten: Sie genössen gegenüber Politikwissenschaftlern den Vorsprung, als Systemveränderer in ihren kleinen Systemen wirksam werden zu dürfen, ohne dem Verdacht zu verfallen, wie er politischen Systemveränderern gerne attestiert wird, nämlich: Verfassungsfeinde zu sein.


Beim Mund-Nasen-Schutz bleiben die Ohren frei! Also: Ob im Auto oder mit der Maske in der großen weiten Welt: Kopfhörer auf und Autobahnuniversität hören! Jeder Stau bringt Sie weiter. Und, wo es geht, die freien Augen und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen!