autobahnuniversität / Manfred Cierpka - Narrative
Manfred Cierpka (1950-2017) war, nach einer Professur in Göttingen, von 1998 bis 2015 Professor in Heidelberg und dort Ärztlicher Direktor des Instituts für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie am Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums. Dies in Nachfolge von Helm Stierlin, der von 1974 bis 1991 die Abteilung für psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie in Heidelberg geleitet hatte.
Vier Jahre (2009-2013) wirkte Cierpka als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie. Seit 1990 bis zu seiner Emeritierung fungierte er als einer der wissenschaftlichen Leiter der Lindauer Psychotherapiewochen.
Manfred Cierpka galt als großer Integrator unterschiedlicher Forschungs- und Praxisansätze und als weitsichtiger, sehr genauer und sortierter Denker und Lehrer. Der hier wiedergegebene Vortrag, gehalten im Rahmen der Lindauer Psychotherapiewochen 1995, vermag dies eindrücklich zu dokumentieren.
Cierpka entwickelt im Vortrag die Grundlinien des damals an der Universität Göttingen entwickelten Modells einer Psychotherapie, die sich an narrativen Strukturen orientiert.
Im Kern geht es um eine Deutung dessen, was der Patient bislang nicht zu Ende erzählen konnte. Die Subjektivierung der eigenen Geschichte führt zu personaler Identität. Diese kann allerdings leidvoll ausgestaltet sein.
Sehr häufig erfahren Therapeuten in ihrer Praxis die Wiederholung von Patienten-Geschichten in vielen Varianten. Das kann man nutzen, um das Narrativ zu einer geschlossenen Gestalt zu entwickeln. Psychotherapie ist damit ein interaktiver Prozess, eine gemeinsame Konstruktion von Therapeuten und Patienten sowohl der Patientengeschichte(n) als auch der gemeinsamen therapeutischen Geschichte.
Die Patienten werden in dem Göttinger Modell gebeten, 15 Geschichten zu erzählen über ihre Beziehungen mit und zu anderen Menschen. Was zuerst wie eine Überforderung anmutet, führt dazu, dass in relativ kurzer Zeit tatsächlich eine Geschichte nach der anderen in die Erinnerung und zur Erzählung kommt, mehr oder weniger assoziativ verknüpft. Dabei können sehr häufig repetitive Beziehungsmuster und damit einhergehende folgenreiche Konflikterfahrungen der Patienten überhaupt erst erkannt und angeschaut werden. Darüber wiederum ergeben sich gute Ansatzpunkte und Chancen zu Veränderung und neuer Selbstwirksamkeit.
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