Sounds of Science / Jürgen Kriz & Fritz B. Simon - Der Streit ums Nadelöhr - Teil 2

Sounds of Science bringt einen weiteren etwa 30-minütigen Ausschnitt des spannenden ganztätigen Gesprächs, das Jürgen Kriz und Fritz B. Simon zu den theoretischen und praktischen Unterschieden, die sich aus unterschiedlichen systemischen Leitunterscheidungen ergeben, geführt haben. Das Gespräch wurde im Herbst 2019 als Buch publiziert unter dem Titel Der Streit ums Nadelöhr. Körper, Psyche, Soziales, Kultur. Wohin schauen systemische Berater?


In diesen Abschnitten geht es u. a. um diese Fragen: Wie war und ist es möglich, dass Menschen in totalitären Systemen Dinge tun, von denen sie sagen, sie hätten sie unter anderen Umständen nie getan? Wie hinderlich oder sogar nützlich können Unterschiede in Theorien und Menschenbildern für eine gemeinsame beraterische Praxis sein? Und warum muss man die Begegnung von Widersprüchen organisieren, wenn sie von selbst eher selten oder gar nicht stattfindet?


Arist von Schlippes Statement zu Gespräch und Buch: „Die beiden Systemtheorien, die für die systemische Praxis in unserem Sprachraum so bedeutend sind, nehmen nur selten aufeinander Bezug. Dabei entsteht doch erst aus der Spannung heraus Neues. Die Kräfte von Anziehung und Abstoßung erzeugen bekanntlich Energie – in diesem Sinn bietet die engagierte, schonungslose Diskussion zwischen Jürgen Kriz und Fritz B. Simon jede Menge ´Treibstoff fürs Weiterdenken´.“


Bei Systemtheorie handelt es sich nicht einfach um ein einziges, widerspruchsfreies Modell. Es gibt unterschiedliche Leitunterscheidungen und, aus diesen abgeleitet, unterschiedliche Traditionen. Daraus ergeben sich verschiedene Modelle von Person, Gesellschaft, Gesundheit, Medizin und Organisation, sowie unterschiedliche Vorgehensweisen in Psychotherapie, Beratung, Coaching und Counselling.


Jürgen Kriz, Prof. emeritus der Universität Osnabrück, und Prof. Fritz B. Simon von der Universität Witten/Herdecke haben diesen Diskurs im Rahmen eines von Matthias Ohler moderierten Streitgesprächs beispielhaft ausgetragen. Ein verdienstvolles Unterfangen zweier vielfach ausgezeichneter Autoren, Forscher und Praktiker. Hier wird deutlich, wie folgenreich es sein kann, ob man sich, bspw. der Synergetik eines Thure von Üexküll u.a. folgend, an die abendländischen Leitunterscheidungen Subjekt/Objekt bzw. Subjekt/Welt anschließt (Subjekt und Lebenswelt, wie Jürgen Kriz es in seiner Personzentrierten Systemtheorie mit ihren vier Untersuchungsebenen formuliert), oder ob man, teils Niklas Luhmann und George Spencer Brown folgend, von der abstrakteren Leitunterscheidung System/Umwelt ausgeht und, wie Fritz Simon, dem „Nadelöhr Subjekt“ darin einen weniger prominenten Platz einräumt und stattdessen auf Formen, auf Kopplungen von Organismus, Psyche und sozialen Systemen schaut.


Diesem Diskurs die nötige Aufmerksamkeit zu widmen und von dort her andere, sehr wirkungsvolle Entwürfe einer Untersuchung und Kritik zu unterziehen, wie bspw. die herrschende biologische Psychiatrie oder personale Organisationstheorien, dafür setzt dieses Gespräch ein Zeichen.


Ein Tipp: Es lohnt sich in diesem Zusammenhang auch sehr, den Vortrag von Fritz B. Simon anzuschauen, den dieser beim Kongress Was ist der Fall? Und was steckt dahinter? Diagnosen in systemischer Theorie und Praxis im Mai 2017 gehalten hat.



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