und es lebt doch ...  Autonomie/Autarkie/Autopoiesis

Die einfachste Art „System“ zu sagen lautet: Relationen.


Die Systemtheorie ist eine reduktionistische Wissenschaft. Sie reduziert Systeme in Welt auf universelle Merkmale, um damit besser vorhersagen zu können, wie sie sich verhalten, und um einschätzen zu können, welche Modelle, Maßnahmen und Methoden für sie funktionieren und welche nicht.


Wir können an allen komplexen lebenden Systemen drei basale Merkmale beobachten:


Autonomie → System setzt (sich) seine Werte selbst, stellt (seine) Regeln selbst auf: Selbstgesetzgebung


Autarkie → System konstituiert seine Grenzen und erweitert/verengt sie


Autopoiesis → System erschafft sich selbst, erhält sich selbst und organisiert sich selbst


Komplexe autopoietische Systeme wie Psyche oder Kommunikation können ihre Zeichenräume, ihre Semiosphäre, nicht verlassen: Sie inFORMieren sich selbst. Umweltereignisse können die Systemgrenze nicht durchdringen. Jene, die mit ihr kollidieren, werden bestenfalls/gegebenenfalls als Zeichen im Zeichenraum des Systems (weiter)prozessiert.


Psychen denken/stellen-sich-vor, Kommunikationssysteme kommunizieren.
Psychen kommunizieren nicht, Kommunikationssysteme denken nicht.


Soll Gedachtes sozial werden, muss es kommuniziert werden. Wird es kommuniziert, ist es nicht (mehr) gedacht, und was in Folge (damit) geschieht, darüber hat Psyche keine Kontrolle – denn als lebendes System FORMt sich Gesellschaft autonom und autark.


Soll etwas Kommuniziertes psychisch werden, muss da Psyche sein, die es denkt, doch Psychen kommunizieren nicht, sie denken, und was wir jemandem sagen und was er daraus macht, wird mehrerlei – denn als lebendes System FORMt sich Psyche autonom und autark.


Wir müssen bei Psyche und Gesellschaft unterschiedliche Komplexitäten in unterschiedlichen Zeichenräumen denken. An beiden können wir die gleichen universellen Merkmale beobachten und sie entsprechend über FORMenlogik abbilden und die FORMen als artifizielle Systeme emulieren, aber damit war es das dann auch.


Wenn sie Autonomie hören, denken Viele zuerst an Gesetze und Staaten, an Freiheit und Unabhängigkeit – systemisch müssen wir den Begriff aber noch viel tiefer ansetzen, noch konkreter werden: Wir sprechen hier über die Werte, die sich das System setzt, um zu entscheiden. Wann und wie gehe ich nach links? Wie trinke ich meine Milch (aus der Tüte oder dem Glas)? Wie reagiere ich auf emotionale Trigger? Wann weine ich, wann nicht, wann reagiere ich auf Hungergefühle? …


Autonomie schafft die Entscheidungsstruktur der Entscheidungsstruktur.
Autonomie ist keine Eigenschaft, die wir verleihen, sondern Fähigkeit und Problem des lebenden Systems.
Wir können die Autonomie des lebenden Systems nicht dann abschaffen, wenn sie uns gerade mal nicht passt.


Mit Autarkie bedeuten wir hier, dass das System im Umgang mit seiner eigenen und der Komplexität seiner Umwelten entscheidet, was es als zu sich zugehörig betrachtet und was nicht, wobei es sich dabei steigern oder einschränken kann. Je besser ein System mit Komplexität umgeht, desto mehr Komplexität kann es bewältigen und desto mehr Komplexität bringt es wiederum hervor.


Was es als zu sich selbst oder Umwelt zugehörig betrachtet, hängt vom Grad seiner Autarkie ab.


Es sind nicht wir, die dem lebenden System Autarkie oder Autonomie verleihen, lebende Systeme müssen ihre Autonomie und Autarkie als Bedingungen ihres Weiterprozessierens selbst hervorbringen.


Versuchen wir Autonomie und Autarkie eines lebenden Systems zu umgehen/abzuschaffen, verkennen wir die Notwendigkeit dieser Fähigkeiten für Leben: Der Erfolg dieses Versuchs ist der Tod des Systems.


In Anwendung:


Autonomie/Autarkie/Autopoiesis funktionieren zusammen.


Autopoietische Systeme wie Psyche und Gesellschaft setzen ihre Werte selbst (Autonomie) und FORMen, erweitern/verengen ihre Grenzen (Autarkie).
Sie konstituieren (erschaffen und reproduzieren) ihre eigenen Elemente (Autopoiese).


Im Fall von Psyche:


Gedanke/Vorstellung mit → denke einen Gedanken (Gedanke). Jetzt denke, wie du den Gedanken denkst (Vorstellung)


mit einem Begriff von „Gedanke“, der nichtsprachliche Entscheidungen wie Fühlen mit einschließt.


Im Fall von Kommunikation:


Meinen/Mitteilen/Verstehen mit → Ego versteht, Alter teilt mit.


mit Ego interpretiert Alters Verhalten als Mitteilungsverhalten
 und unterstellt Alter ein Meinen


https://www.carl-auer.de/magazin/systemzeit/kommunikation-reorganisation-des-unbestimmten


Kurz gesagt: Psychen denken, Soziale Systeme kommunizieren.


Wenn wir versuchen, Psychen mit Modellen zu greifen, die für Soziale Systeme konstruiert wurden, erreichen wir sie nicht. Wenn wir versuchen, Soziale Systeme zu psychotherapieren, greifen wir ins Leere.


Autonomie, Autarkie und Autopoiesis des jeweiligen Systems zu respektieren heißt, mit Modellen, Methoden, Maßnahmen zu arbeiten, die für sie funktionieren.


Einige problematische Beispiele:


Gesellschaft von ihren Traumata heilen


Der Trauma-Begriff ist für Psychen konstruiert worden. Er lässt sich nicht auf soziale Systeme, auf Organisation oder Gesellschaft, übertragen. Versuchen wir Gesellschaften von ihren „Traumata“ zu „heilen“, werden wir erleben, dass immer wieder neue „Traumata“ auftauchen.
Das ist Punkt 1 des Problems.


Punkt 2: Wir respektieren hier weder Autonomie noch Autarkie des Sozialsystems, ignorieren ihr Element (Kommunikation) und versuchen, Gesellschaft wie Psyche zu behandeln. Mal abgesehen davon, dass auch Psychen uns erlauben müssen, mit ihnen therapeutisch zu arbeiten, gibt es in Gesellschaft für therapeutische Versuche schlicht keine Andockpunkte. Wir mögen Einzelne damit erreichen, können aber nicht vorherbestimmen, welche Konsequenzen das nun wieder im sozialen Raum oder auch für sie hat. Wir können lernen effizienter zu kommunizieren, haben aber auch damit immer noch keine Kontrolle über die Komplexität des Gesamtsystems.


Über Systemveränderung entscheidet das System autonom und autark.
Lenin und Mao haben beide versucht, das System zu „heilen“ ...


Psychen können sich nur selbst therapieren.
Traumata können nicht geheilt werden, aber die Psyche kann lernen, ihre Traumata auszuhalten. Wir sollten dazu fähig sein, unsere Traumata zu invisibilisieren und zu visibilisieren. Und wenn wir sie visibilisieren, sollten wir besser auch in der Lage dazu sein, mit ihren selbstmultiplizierenden Tendenzen produktiv umzugehen.


Geschützte Räume schaffen


Autonomie/Autarkie/Autopoiesis bedeuten, dass das System entscheidet, welchen Werten es folgt und welche Grenzen es setzt und respektiert. Zu versuchen, innerhalb von Sozialsystemen zum Beispiel für verbesserte Bildung oder besseres Miteinander geschützte Räume zu schaffen, ist schon vom Begriff her hoch problematisch:


Es gibt keine geschützten Räume in komplexen autopoietischen Systemen, wie jeder weiß, der versucht hat, unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit Andere davon abzuhalten Gerüchte weiterzutragen.


Wer glaubt, Resilienz wird über Abgrenzung stärker, übersieht das wahre Leben und glaubt vermutlich auch, Löwen greifen Menschen nicht an, wenn sie im Zoo eingesperrt sind ...


Alle komplexen autopoietischen Systeme sind in kontinuierlicher Innovation begriffen. Sie steigern ihre Resilienz über Autonomie und Autarkie und funktionale Organisation unter Berücksichtigung ihrer Autonomie und Autarkie.


Der Gedanke des geschützten Raums ist ein psychotherapeutischer. Er funktioniert für soziale Systeme ab 3 Personen nicht mehr als kontrollierbares Mittel. Er funktioniert tatsächlich gar nicht als kontrollierbare Maßnahme, da auch jede Psyche als „geschützt“ etwas anderes interpretiert.


Gemeint ist hier meist etwas anderes, aber Begriffe sind Macht, insofern ist sinnvoll erst zu referenzieren, was wir eigentlich erreichen wollen, bevor wir einen Begriff wie „geschützte Räume“ auf die Menschheit loslassen, um uns dann anzusehen, was Esoteriker damit veranstalten …


Wenn ich geschützte Räume thematisiere, gehen Inhalte verloren - kommuniziert wird der geschützte Raum.
Seine Vorbedingung wird zu seiner Verunmöglichung.


Narration und Storytelling als Maßnahme für krisenfunktionale Organisation


Dass sich Viele von uns für Geschichten begeistern, gewährleistet nicht, dass die Geschichte auch so wirkt, wie sich der Geschichtenerzähler das vorstellen mag.


Soziale und psychische Systeme erzählen ihre eigenen Geschichten, und über Geschichten in sozialen Systemen lassen sich psychische Systeme nicht steuern, wie umgekehrt die psychische Narration in Gesellschaft nicht andocken kann, weil sie nunmal gedacht und nicht kommuniziert wird. Wir können Gedanken nicht einfach so in Gesellschaft hineinproduzieren.


Psychische Systeme denken, soziale Systeme kommunizieren.


Die soziale Narration ist die Geschichte, die wir kontinuierlich gemeinschaftlich schreiben. Hier müssen wir begreifen, dass Systemkomplexität die Narration davon abhält auf den Punkt zu wirken.


Querdenker sind nicht trotz, sondern (mit) wegen "der Filmtrilogie "Matrix"" quer im Denken. All die schönen Geschichten, die wir Kindern erzählen, halten sie erwachsen nicht davon ab, die seltsamsten Dinge zu tun.


Die Narration ist ein Mittel wechselseitiger Konditionierung und von Werbung.


Auch wenn wir versuchen, den Begriff der Narration positiv zu prägen, wird daraus kein positives Mittel. Die Geschichte kann noch so schön sein und doch negative Konsequenzen haben.


Das „Little Red Book“ von Mao ist eine Narration. Ebenso Hitlers „Mein Kampf“.


Wenn jemand meint, eine Narration zu haben, hat er in der Regel auch ein Endziel für das System vor Augen. Jemand, der sich einbildet, diese Lösung für das System generieren zu können, der hat noch nicht einmal im Ansatz begriffen, was Systemtheorie bedeutet. Das komplexe System kann die Lösung nur für sich selbst generieren. Es lässt sich nicht in vorgegebene Geschichten einsperren.


Das heißt nicht, dass wir nichts tun können, aber es heißt, dass wir eine ganze Menge Sachen tun können, die grundlegend falsch, irreführend und definitiv nicht zielführend sind.


Pogrome und Sklaverei sind durch Narration ausgelöst worden.


Achtsamkeit als Mittel zur Veränderung sozialer Systeme


Auch wenn reflektierte Kommunikation dabei helfen kann, konstruktivere soziale Architekturen zu schaffen, kann doch der Versuch reflektierter Intervention in Kommunikation nicht vorherbestimmen, wie sich das System verändert. Wie bei allen Mitteln kann und wird das System darauf mit Gegenreaktionen reagieren. Es gibt nicht nur Menschen, sondern auch OrganisationsFORMen, die auf Achtsamkeit mit Abwehr ansprechen – beispielsweise, weil sie das übergriffig finden oder weil sich Systemkomplexität nun mal nicht in Schubladen sperren lässt.


Achtsamkeit funktioniert als psychotherapeutische Selbstmaßnahme – aber auch da nur in Grenzen und mit Drawbacks, was sich beispielsweise in Krisen zeigt, wenn weite Teile der Bevölkerung anfangen Achtsamkeitspraxis zu studieren und sich mit sich selbst zu beschäftigen, weil ihr Wohlstand ihnen das erlaubt, während die Krisen ganz andere Maßnahmen benötigen, um für Alle überlebenskonstruktiv abgewendet und genutzt zu werden.


Als soziales Mittel ist Achtsamkeit reine Zeitverschwendung. Soziale Systeme reflektieren sich über Kommunikation, nicht über Denken. Das Mittel der Wahl ist da FORMen-Analyse und funktionale FORMengestaltung.


Achtsame Menschen können völlig an den Belangen und Bedürfnissen von Sozialsystemen vorbeidenken, ohne es zu merken. Sie können damit sogar Märkte schaffen, die für einige Zeit funktionieren und sich gegenseitig darin bekräftigen. Achtsamkeitsmodelle sind für Psychen konstruiert. Als soziale Modelle können sie höchstens als Thema und weltanschaulich/ideologisch wirksam werden, und was das soziale System dann mit ihnen veranstaltet, darauf hat Psyche keinen Einfluss.


Versuche ich Achtsamkeit in Gesellschaft zu konditionieren, zu verordnen oder aufzuzwingen, lege ich im Zweifelsfall den Grundstein für soziale Kontrollsysteme. Am Ende wird Achtsamkeit erreicht, die sich nicht mehr von Konformität unterscheidet: achtsam sein, darauf aufpassen, dass keiner mehr aus der Reihe tanzt.


Soziale Achtsamkeit kennen wir zum Beispiel als gegenseitige Erziehungsprogramme in den Social Media oder als Stasi.
Achtsamkeitskulturen garantieren keine bessere Gesellschaft.
Achtsamkeitsverordnungen führen häufig in religiöse Formen mit kriegerischem Ausgang. Guter psychischer Wille (Jesus, Buddha ...) kann das Soziale System nicht kontrollieren.


Autonomie/Autarkie/Autopoiesis des Systems zu respektieren ist notwendig, um Modelle und Methoden funktional zu bauen und einzusetzen. Systemtheorie hilft dabei einschätzen zu können, ob das, was wir gerade versuchen, der Angelegenheit, die wir zu behandeln gedenken, überhaupt gemäß ist. Sie hilft dabei, eigene Glaubenssätze zu überprüfen – die Bereitschaft dazu mal vorausgesetzt, was keineswegs (überall) gegeben ist:


„Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweisen“ funktioniert vor der eigenen Haustür, solange die Komplexität des Gesamtsystems uns nicht in die Krise zwingt.


Augenblicklich wird vielerorts versucht, Angelegenheiten von Gesellschaft (und somit von Kommunikationssystem(en)) mit psychologischen Modellen zu greifen. Dieser hilflose und sich häufig selbst bekräftigende Versuch muss aber scheitern und wird unvorhersehbare und vorhersehbare Konsequenzen haben, denn solche Maßnahmen scheitern an der Systemgrenze, an Autonomie und Autarkie des Systems. Die Geschichte hat uns bereits gezeigt, was wir in den schlimmsten Fällen von Systemgrenzen nicht beachtenden Maßnahmen zu erwarten haben.


Sehen könnt Ihr das, wenn Ihr Systemtheorie ernst nehmt und anfangt entsprechend ernsthaft/achtsam mit ihr zu arbeiten.


SelFis und Crazy Machines helfen dabei sich Autonomie/Autarkie/Autopoiesis zu veranschaulichen.


Wir adressieren Psyche über psychologische Modelle, soziale Systeme über soziologische. Wer das nicht auseinander halten kann und trotzdem daran gewinnt, arbeitet in einer Blase.


Dass Viele heute nicht wissen, was sie tun sollen, um mit der Komplexität der (Gesamt)Situation umgehen zu können, heißt nicht, dass es nicht Möglichkeiten gibt herauszufinden, in welche Richtung wir uns bewegen sollten und welche Modelle und Maßnahmen wir gleich beiseite legen können, weil sie nicht so funktionieren werden, wie wir uns das vorstellen.


Wir können lernen, kontinuierlich mit Begriffen wie Autonomie, Autarkie und Autpoiesis zu arbeiten und beispielsweise Krisen- und KonfliktFORMen auf sie hin untersuchen.


Wichtig ist, sich der jeweiligen Systemkomplexität zu stellen und sich nicht damit zufrieden zu geben, mit unterkomplexen oder gar systemfremden Modellen zu arbeiten, nur weil wir es dürfen und dafür Anerkennung in Form von Verständnis, Renommee oder Geld bekommen, oder weil sie in unseren Realitätstunnel passen und wir das so haben möchten, oder weil wir nicht dazu bereit sind unsere eigenen Selbsterfüllenden Prophezeiungen zu hinterfragen. Peer pressure und ideologischer Impuls dürfen nicht davon abhalten zu tun, was notwendig ist – vorausgesetzt natürlich, wir nehmen die Metakrisen ernst. Neue Märkte werden von den Mutigen und Klugen erschlossen, bevor die Krise sie erwischt.


Die Frage muss daher zuerst lauten: Wollen wir (für welche Anerkennung und Selbstbestätigung auch immer) im Sandkastenuniversum nebenan weiter herumspielen oder sind wir bereit dazu uns über wissenschaftliche Erkenntnisse und Modelle mehr in Richtung Faktenraum, neue Gesellschaft und neue Märkte zu bewegen?


Wenn die Antwort darauf „Ja, mehr faktisches Denken, Sprechen und Handeln!“ lautet, helfen die drei Begriffe Autonomie, Autarkie und Autopoiesis schon einmal deutlich weiter, wenn es gilt einzuschätzen, ob das, was wir da vorhaben, tatsächlich etwas bringt oder ob wir es nur machen, weil wir es noch können und weil es uns noch persönliche Gewinne einträgt.


Die erste Anwendung des neuen Modells bin immer ich selbst und Irritation wirkt als Leitfaden.