autobahnuniversität / Carl Friedrich Graumann - Intentionalität: Zwischen Rezeption und Konstruktion

Die Autobahnuniversität dokumentiert hier einen engagierten und phänomenologisch-kritischen Vortrag, den der bedeutende Sozialpsychologe Carl Friedrich Graumann auf dem großen Heidelberger Kongress Die Wirklichkeit des Konstruktivismus im Jahr 1991 hielt. Graumann war zu diesem Kongress von den Veranstaltenden wohl bewusst als einer der Wissenschaftler eingeladen, die dem konstruktivistischen Ansatz eher kritisch oder skeptisch gegenüberstanden.


Getreu seiner Warnung, allem gegenüber, was als "-ismus" daherkommt, eine betont skeptische Haltung einzunehmen und immer zu bewahren, macht Graumann auch keinen Hehl daraus, dass das für ihn auch dafür gilt, was als Konstruktivismus oder gar Radikaler Konstruktivismus bezeichnet wird.


In einem weiten Bogen überblickt Graumann Verwendungsweisen und Definitionen der Begriffe "Wirklichkeit" und "Konstruktion", die für Entwicklung der Sozialwissenschaften und im Besonderen der Sozialpsychologie und des Sozialkonstruktivismus schulenbildend geworden sind, etwa bei Kurt Lewin, William James, Max Weber, Alfred Schütz, Hellmuth Plessner, Kenneth Gergen u. v. a.


Ausgehend von der Betrachtung von Wirklichkeit als einer irgendwie gearteten Beziehung von Aktivität (Tun) und Rezeptivität oder Affiziertsein (Widerfahrnis), gewinnt Graumann zunächst den Unterschied zwischen Interpretationen von Tatsachen und dem, wovon diese Interpretationen sind. In Anschluss an Franz Brentano und Edmund Husserl, die Begründer der Phänomenologie, entwickelt Graumann ein Verständnis von Konstruktion als einer Spielart phänomenologischen Verhaltens. Intentionalität als Gerichtetsein auf Welt bedeutet, sich zur Welt und sich selbst in ein Verhältnis zu setzen. Dem Statement von Siegfried J. Schmidt, einem prominenten Vertreter des Konstrutivismus, auf dem gleichen Kongress: "Mich kann nicht interessieren, wovon ich keine Kenntnis habe", setzt Graumann schließlich seine Umkehrung entgegen: "Es ist gerade das Unbekannte, das Verborgene, das Sinnlose, das Fremde, das auf Menschen über die Jahrhunderte hinweg den stärksten Anreiz ausgeübt hat, das Unbekannte bekannt, das Verborgene sichtbar, das Sinnlose verstehbar und das Fremde vertraut zu machen; kurz: Erkenntnis von der Realität zu gewinnen."


Von 1963 bis zu seiner Emeritierung 1991 war Carl Friedrich Graumann ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg (1963 - 1991). Er hatte Gastprofessuren in Pittsburgh an der Duquesne University in Pittsburgh sowie in New York an der New School for Social Research inne und weilte zu Forschungsaufenthalten in Paris am Maison des Sciences de l’Homme und an der École des Hautes Études en Sciences Sociale. Graumann war Sprecher der Forschergruppe „Sprechen und Sprachverstehen im sozialen Kontext“ Heidelberg/Mannheim von 1983 bis 1988 und des Sonderforschungsbereichs „Sprache und Situation“ Heidelberg/Mannheim von 1989 bis 1993, sowie Ehrenmitglied der DGPs und Gründungsmitglied der Wilhelm-Wundt-Gesellschaft.



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