Globaler Klimaschutz - Teil 2: Die Macht direkter Demokratie

Im Oktober 2018 reichte eine kleine Aktivistengruppe in Bayern, dem konservativsten Bundesland Deutschlands, das Volksbegehren »Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern«, bekannt geworden unter dem Motto »Rettet die Bienen«, an die bayerische Landesregierung ein. Darin wurde gefordert, dass bis spätestens 2030 mindestens 30 Prozent der bayerischen Anbauflächen den Standards einer ökologischen Landwirtschaft gerecht werden müssten, dass 10 Prozent der nicht genutzten Flächen in Wildblumenwiesen umgewandelt werden und Böden und Gewässer durch strengere Vorschriften besser vor Pestiziden und Düngemitteln geschützt werden sollten. In Bayern sind diverse führende Industriekonzerne Deutschlands ansässig, und es ist das Bundesland mit der größten landwirtschaftlich genutzten Fläche aller deutschen Bundesländer.


Abbildung 5: Die Macht von Dialog und direkter Demokratie


Die konservative Landesregierung stand dem Volksbegehren sehr ablehnend gegenüber, und Sprecher des agro-industriellen Komplexes zeigten sich empört. Aber es nützte alles nichts – nur vier Monate später war das Volksbegehren von 1,75 Millionen bayerischen Bürgern unterzeichnet worden, etwa einem Fünftel der Wählerschaft des Bundeslandes. Weitere fünf Monate später, im Juli 2019, wurde das Volksbegehren als Gesetz verabschiedet, unter dem gleichen konservativen Ministerpräsidenten, der sich nur wenige Monate zuvor an die Spitze des Widerstands dagegen gestellt hatte. Was war geschehen?


Etwas sehr Einfaches: Dialog und direkte Demokratie hatten ihre Macht gezeigt. Hätten die Landesregierung und der Landtag Bayerns die Forderungen des Volksbegehrens nicht in Gesetzesform gegossen, wäre nach der bayerischen Landesverfassung automatisch eine Volksbefragung ausgelöst worden. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Umstands, dass laut Umfragergebnissen etwa 75 Prozent der bayerischen Bürger dass Volksbegehren befürworteten, entschloss sich der konservative Ministerpräsident, es zu unterstützen, anstatt sich dagegen zu stellen.


Abbildung 6: Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern, »Rettet die Bienen«, 2019


Im Kern dieser kleinen Geschichte steht eine fundamentale Erkenntnis über kollektiven Klimaschutz in unserer heutigen Zeit. In Ländern wie Deutschland, wo das Bewusstsein über gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen in der Bevölkerung wesentlich stärker entwickelt ist, als unter politischen Entscheidungsträgern, kann direkte Demokratie ein machtvoller Mechanismus sein, um dem Einfluss von dominanten Interessengruppen – etwa des agro-industriellen Komplexes – entgegenzuwirken. Wenn man heute die Bürger fragt, ob sie den Ackerboden auslaugen, das Grundwasser verschmutzen, ihre Kinder und sich selbst vergiften und die Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen zerstören wollen, werden sie selbstverständlich antworten: »Natürlich nicht.« Niemand will das. Doch das ist genau das, was wir alle zusammen heute tun, was wir mit Agrarsubventionen in Höhe von 700 Milliarden bis eine Billion Dollar pro Jahr unterstützen. Und der Grund, warum wir es immer noch tun, ist der Nebel, der das Gesamtbild verschleiert: Wir können das Gesamtsystem nicht erkennen. Der Moment, in dem die Menschen das Gesamtsystem sehen – durch einen informierten demokratischen Dialog – ist der Moment, in dem sie ihre Meinungen ändern werden, ganz so, wie es in Bayern zu beobachten war, der ländlichen Hochburg der Konservativen Deutschlands.


Über die Macht dialogorientierter und direkter Demokratie


Die Verfahren für Volksbegehren und Volksbefragungen in Bayern sind nicht das einzige Beispiel, das die Macht von direkter und dialogorientierter Demokratie demonstriert. Wir stehen am Anfang einer weltweiten Bewegung. Etliche andere Länder haben unlängst begonnen, Bürgerversammlungen abzuhalten. Eine Bürgerversammlung ist eine aus den Bürgern eines Staates bestehende Körperschaft, die über Probleme von nationaler Tragweite berät. Die Mitglieder einer Bürgerversammlung werden zufällig ausgewählt. Bürgerversammlungen werden von professionellen Schlichtern moderiert und ziehen Informationen von diversen Expertengruppen und Interessenverbänden in Betracht. Sie haben den Zweck, wesentliche Herausforderungen zu prüfen und Lösungen vorzuschlagen, die zur Diskussion gestellt werden und über die dann im Parlament oder bei einer Volksbefragung abgestimmt wird. Das heißt, dass Bürgerversammlungen darauf abzielen, das Vertrauen in das demokratische Verfahren wiederherzustellen, indem sie Entscheidungsprozesse direkt an sich ziehen. Irland verfolgte diesen Ansatz, um Kontroversen über Abtreibungsgesetze und andere Themen beizulegen, für die im Parlament keine zufriedenstellenden Lösungen gefunden werden konnten. Kanada verfolgte diese Strategie, um das System zu prüfen und zu reformieren, über das Politiker gewählt werden. Auch Frankreich verfolgt inzwischen den gleichen Ansatz (Bürgerversammlung plus Volksbefragung) zu Fragen des Klimaschutzes. Zu den Ländern, die derzeit nationale Bürgerversammlungen einführen, zählen Schottland, England und Spanien. Auch Deutschland hat kürzlich seine erste Bürgerversammlung zu Fragen der Demokratie beendet und bereitet eine zweite zum Thema Klimawandel vor. Claudine Nierth, die zu den Initiatoren der ersten Bürgerversammlung in Deutschland zählt, berichtet über ihre Erfahrungen: »Zuerst war ich ein bisschen skeptisch, was dabei herauskommen würde. Aber als wir erst einmal angefangen hatten, hat es mich wirklich berührt, wie engagiert beinahe alle Mitglieder der Versammlung waren. Alle empfanden eine große Verantwortung. Jeder versuchte, an der Aufgabe zu wachsen.«


Abbildung 7: Democracy for Future, Berlin, 2019 (Bild: Mehr Demokratie e.V.)


Um es mit den Worten von Tobias Bandel zusammenzufassen, dem Gründer der Agrar-Unternehmensberatung Soil and More: »Die Umstellung von industrieller auf regenerative Landwirtschaft wird ohnehin kommen. Wir stehen nur noch vor der Entscheidung, ob sie uns durch katastrophale Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten aufgezwungen wird, die enorm viel unnötiges Leid mit sich bringen würden, oder ob wir diesen Schritt schon jetzt proaktiv in die Wege leiten wollen.«


Welcher Mechanismus könnte uns helfen, diese Entscheidung proaktiv schon jetzt zu treffen, um den Übergang zu einer regenerativen Landwirtschaft und Wirtschaft zu beschleunigen? Die Initiative, unsere Demokratie direkter, dezentraler und dialogorientierter zu machen.


Überwachungskapitalismus und der Tod der Demokratie


Aber Moment mal – bringt das nicht die reale Gefahr mit sich, dass extremistische Populisten die Möglichkeiten einer direkten Demokratie missbrauchen könnten? Ist nicht der Aufstieg von Donald Trump, Jair Bolsonaro, Viktor Orbán, Boris Johnson, Narendra Modi – die Liste ließe sich fortsetzen – der Beleg, dass wir öffentlichen Stimmungen und populistischen Mehrheiten nicht trauen dürfen? Könnten diese Werkzeuge nicht leicht instrumentalisiert und von extremen Gruppen missbraucht werden? Ist nicht die Brexit-Volksbefragung der schlagende Beweis dafür, dass man eine extrem komplexe Frage wie eine EU-Mitgliedschaft nicht durch eine einfache Ja-Nein-Abstimmung der Bürger beantworten lassen darf? Ist nicht darüber hinaus eine fundamentale Krise der westlichen Demokratien festzustellen, die bisher nicht in der Lage waren, die Herausforderungen zu bewältigen, die sich in diesem Jahrhundert in Form von Klimawandel und sozialer Ungleichheit stellen? Selbst auf der rein wirtschaftlichen Ebene scheint das westliche Modell immer weiter zurückzufallen hinter dem chinesischen Modell einer zentralistischeren Regierungsform, in Anbetracht von Chinas beispiellosem wirtschaftlichen Erfolg in den vergangenen 40 Jahren. Hunderte von Millionen chinesischer Bürger sind aus ihrer Armut gehoben worden, während zugleich das Land in vielen Bereichen des Hightech-Fortschritts die USA hinter sich gelassen hat. Vielleicht, so geben manche Experten zu bedenken, brauchen wir nicht demokratischere, sondern weniger demokratische Entscheidungsprozesse, um die großen Herausforderungen unserer Zeit besser bewältigen zu können.


Das sind wichtige Fragen. Ich möchte auf eine nach der anderen eingehen, um zu drei Schlüssen zu kommen. Erstens: Ja, der Aufstieg von Politikern wie Trump und Bolsonaro ist ein beunruhigendes Symptom der aktuellen Lage der Dinge. Aber beweist er tatsächlich, dass wir den demokratischen Prozess nicht durch direktere und dialogorientiertere Ansätze vertiefen können? All die oben erwähnten starken Männer sind durch Parlamentswahlen an die Macht gekommen, und dennoch will niemand aus diesem Grund die Parlamente dieser Länder auflösen. Warum werden dann genau diese Ereignisse angeführt, um zu begründen, dass wir unseren demokratischen Prozess nicht vertiefen sollten? Man könnte sogar argumentieren, dass diese Ereignisse eine Folge ebendieses Mangels an fundamentaleren und dialogorientierteren Prozessen gewesen seien (zum Beispiel dem Mangel an zutreffenden Informationen und öffentlichem Dialog vor der Brexit-Abstimmung im Jahr 2016). Zweitens: In vielen Ländern mit einer parlamentarischen Demokratie setzen demokratisch gewählte Politiker Maßnahmen um, die im Widerspruch zum Bürgerwillen stehen. Beispiele reichen von der Ablehnung in den USA, vor dem Verkauf von Schusswaffen den Hintergrund des Käufers überprüfen zu lassen (obwohl 80 bis 90 Prozent der US-Wähler solche Backgroundchecks unterstützen), bis hin zu der Verabschiedung wachsweicher Klimaschutzgesetze in Ländern wie Deutschland (wo über zwei Drittel der Bürger wesentlich strengere Klimaschutzvorschriften befürworten). Doch diese Mehrheiten spielen keine Rolle, wenn es darum geht, den Bürgerwillen tatsächlich in politische Maßnahmen umzusetzen. Dieses Muster zeigte sich sogar beim Brexit: Als Boris Johnson Ende 2019 bei den allgemeinen Wahlen in Großbritannien mit dem Versprechen, »den Brexit über die Bühne zu bringen«, einen erdrutschartigen Sieg einfuhr, sprach sich tatsächlich eine Mehrheit der britischen Wähler (53 Prozent) dafür aus, in der EU zu bleiben. Aber aufgrund der Regeln des archaischen Mehrheitswahlrechts in Großbritannien wurden die Stimmen der »Remainer« zwischen mehreren Parteien verwässert, während die Brexit-Unterstützer sich letzten Endes in einer einzigen Partei zusammenfanden. All diese Beispiele zeigen das gleiche Muster: Gewählte Politiker, die mehr Zeit mit Lobbyisten verbringen, als mit Bürgern, setzen politische Maßnahmen um, die hauptsächlich den Interessen von Großbanken sowie Hightech-, Pharma-, Agrar- und Ölkonzernen dienen. Was mich zu meinem dritten und letzten Punkt bringt. Woran liegt es, dass über die vergangenen zehn Jahre eine so weit verbreitete Zunahme nicht nur von Rechtspopulismus, sondern auch von Hass, Angst und Ignoranz festzustellen war, vor allem in den Vereinigten Staaten? Die Antwort kann in vier Worten zusammengefasst werden:


Dark Money und Überwachungskapitalismus.


Die Ströme von Dark Money – finanzielle Zuwendungen, die den politischen Prozess beeinflussen, ohne dass ihre Quellen aufgedeckt würden – haben um ein Vielfaches zugenommen, seit der US Supreme Court (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) mit einem beispiellosen Urteil das Verbot von beliebig hohen Parteispenden aufhob. Noch wichtiger ist jedoch ein Problem, das als Überwachungskapitalismus bekannt ist. Dieser Begriff wurde von Shoshana Zuboff geprägt, Professorin an der Harvard Business School und Autorin des Buches The Age of Surveillance Capitalism: The Fight for a Human Future at the New Frontier of Power (deutsche Ausgabe: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus). Zuboff beschreibt ein Geschäftsmodell, das Anfang der 2000er-Jahre bei Google seine Anfänge nahm und dann von Facebook kopiert wurde. Mittlerweile wird es weltweit von praktisch allen datenbasierten Hightech-Großkonzernen eingesetzt und läuft auf nichts weniger hinaus als eine fundamentale Mutation des Kapitalismus selbst. Während im Herzen des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert ein Konflikt zwischen Arbeiterschaft und Kapital zu beobachten war, sehen wir im Herzen dieses mutierten Kapitalismus im 21. Jahrhundert einen Konflikt zwischen Beobachtern und Beobachteten. Schauen Sie nur einmal hinauf zu den höchstbewerteten Unternehmen der Welt und fragen Sie sich, was genau sie an die Spitze dieser Rangliste bringt. Es ist mitnichten ihre Fähigkeit, echte Kundenbedürfnisse zu bedienen. Es ist vielmehr die Fähigkeit dieser Konzerne, das Kundenerlebnis (ihrer Nutzer) in Daten umzuwandeln (die sich der Konzern laut seiner Geschäftsbedingungen aneignet) und aufgrund der Auswertung dieser Daten zutreffende Prognosen über individuelles und kollektives Verhalten zu treffen – um dann diese spezifischen Vorhersagen an Kunden zu verkaufen, die Mikrotargeting einsetzen, um das Verhalten von Nutzern zu modifizieren, sowohl auf der individuellen als auch der kollektiven Ebene. Demnach sind die eigentlichen Produkte nicht die Apps, die Nutzer auf ihren Geräten sehen, sondern die Verhaltensmodifikationen, die an Großkonzerne verkauft werden (für kommerzielle Werbung), oder an politische Kampagnen (wie es zum Beispiel der Skandal um Cambridge Analytica gezeigt hat).


Abbildung 8: Facebook-Gründer und CEO Mark Zuckerberg


Sehen Sie sich einmal die Netflix-Dokumentation The Great Hack an, falls Sie an den spezifischen Merkmalen des Überwachungskapitalismus interessiert sind. Er funktioniert sehr gut als Unternehmensstrategie; es ist zu erwarten, dass Facebook der nächste Konzern mit einem Börsenwert von über einer Billion Dollar werden wird. Da Facebook dabei aber auch viele seiner Nutzer depressiv und unglücklich macht, weil Mikrotargeting darauf abzielt, Emotionen wie Wut, Hass und Angst hervorzurufen (um die innere Beteiligung der Nutzer zu maximieren), untergräbt es auf einer kollektiven Ebene die Fundamente der Demokratie.


Co-Creation und Zerstörung


In Abbildung 9 sind zwei sehr unterschiedliche Arten dargestellt, wie menschliche Gemeinschaften auf gesellschaftliche Verwerfungen reagieren. Die erste ist, sich zurückzuwenden, nach der Devise »make X great again« – wobei das »again« das vielsagendste Wort dieser Phrase ist. Es bedeutet, sich der Vergangenheit zuzuwenden, einer Zeit, die vorüber ist. Die andere Reaktion ist das Hinwenden zur entstehenden Zukunft – zum Erspüren von etwas, das sich noch nicht manifestiert hat.


Abbildung 9: Zwei Reaktionen auf gesellschaftliche Verwerfungen – der Zyklus der Zerstörung (Absencing) und der Zyklus der Co-Creation (Presencing)


Abbildung 9 zeigt diese beiden Reaktionen: Zurückwenden (obere Hälfte) sowie Hinwenden zur entstehenden Zukunft (untere Hälfte). Während das Zurückwenden im Wesentlichen durch Einfrieren von Kopf, Herz und Willen operiert – auch bekannt als Ignoranz, Hass und Angst –, manifestiert sich das Hinwenden durch Öffnen von Kopf, Herz und Willen – mit anderen Worten, durch Zugreifen auf die Stimmungen Wissbegier, Mitgefühl und Mut.


Zugegebenermaßen ist es nicht ganz einfach, sich in diese Gemütszustände zu versetzen, wenn Sie mit einer Verwerfung konfrontiert sind. Falls Sie keinen Zugang zu diesen Stimmungen finden, kann eine Verwerfung Sie in den Zustand des Absencing (sich entziehen) versetzen – das heißt, in einen Zyklus, der durch Verstärken von Ignoranz, Hass und Angst angetrieben wird (siehe Abbildung 9, obere Hälfte).


Der Grund, warum wir in den vergangenen Jahren eine solche Zunahme von Absencing beobachtet haben, geht auf das Big-Data-Geschäftsmodell zurück. Die Betreiber von sozialen Medien, etwa Facebook, wollen ihre Werbeeinnahmen maximieren, indem sie die innere Beteiligung der Nutzer maximieren – was wiederum hauptsächlich durch Aktivieren von Wut, Hass und Angst erreicht wird. Mark Zuckerbergs angehende Eine-Billion-Dollar-Firma gibt zwar vor, Menschen miteinander zu verbinden, operiert jedoch auf wirtschaftlicher Ebene nach einem Geschäftsmodell, das Menschen in erster Linie voneinander trennt, und zwar durch Algorithmen, die Wut, Hass und Angst schüren.


Das hier zugrunde liegende Problem ist ein Umstand, den Zuboff als epistemische (erkenntnistheoretische) Ungleichheit bezeichnet. Big-Data-Unternehmen nutzen Wissensmodelle, die laut Zuboff wie »ein Einwegspiegel« funktionieren. Als Nutzer sehen Sie nur einen winzigen Teil der Daten, die tatsächlich über Sie gesammelt werden, während die Big-Data-Firmen auf der anderen Seite des Spiegels alles über Sie und Ihr Verhalten sehen – und dann dieses Wissen an Dritte verkaufen, die es nutzen, um Ihr Verhalten zu modifizieren. Die epistemische Ungleichheit zwischen Beobachtern und Beobachteten ist das Fundament des neuen Kapitalismus, der heute auf dem Vormarsch ist. Das funktioniert nur, weil wir noch nie eine öffentliche Debatte über diese Probleme geführt haben. Wenn wir eine öffentliche Diskussion darüber führen würden, um dann eine Volksbefragung in die Wege zu leiten, würde die unermessliche Macht der Big-Data-Konzerne beinahe über Nacht in sich zusammenfallen. Und dann hätten die Bürger selbst eine maßgebliche Stimme zu der Frage, wie Big Data sich in den Dienst der gesamten Gesellschaft stellen ließe. Zusammenfassung: In Teil 1 dieses Essays habe ich argumentiert, dass Ackerboden und regenerative Landwirtschaft die vielversprechendsten Lösungsansätze sind, um uns möglichst schnell in ein Szenario von negativen Emissionen zu führen (das heißt, um die Erderwärmung zu stoppen). Aber wie könnte ein solcher Übergang in die Wege geleitet werden? Indem wir, wie oben beschrieben, die Infrastruktur unserer Demokratien umgestalten, um sie dialogorientierter, dezentraler und direkter zu machen.


Im dritten Teil dieses Essays wird es darum gehen, dass dieser Upgrade von demokratischen Infrastrukturen in ein Upgrade von wirtschaftlichen Infrastrukturen und von Bildungs-Infrastrukturen eingebettet werden muss (Abbildung 10).


Abbildung 10: Infrastruktur-Innovationen


Insgesamt könnten diese drei Arten von Infrastruktur-Innovationen (siehe Abbildung 10) dazu führen, dass wir den immer weiter zunehmenden toxischen Einfluss von Dark Money und Überwachungskapitalismus auf die Gesellschaft wirkungsvoll bekämpfen und transformieren können. Wie lässt sich das erreichen? Das ist das Thema von Teil 3.


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Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen Zoë Ackerman, Sarina Bouwhuis und Rachel Hentsch dafür bedanken, dass sie das Manuskript kommentiert und redigiert haben. Kelvy Bird danke ich dafür, dass sie das Titelbild (Abbildung 5) für diesen Teil gestaltet hat.