Globaler Klimaschutz - Teil 3: Die Macht von Bewusstsein

In den ersten beiden Teilen dieser dreiteiligen Serie ging es um zwei blinde Flecken in der Reaktion auf den globalen Klimawandel: Ackerboden und Demokratie. Der dritte ist Bewusstsein.


Abbildung 11: Ansatzpunkt 3 – Bewusstsein


Im Januar verbrachte ich ein Wochenende mit 300 Ökobauern in Norddeutschland. Das Thema der Tagung war Schöpfung aus dem Nichts. Dieses Thema sprach mich besonders an, weil es Fragen berührte, die mir schon in vielerlei Kontexten begegnet waren: Wie können wir über marginale Innovationen, die lediglich die Muster der Vergangenheit modifizieren, hinauswachsen zu Innovationen, die wirklich etwas aus dem Nichts erschafft?


Was mich zudem berührt hat, war, wie viele dieser regenerativen Landwirte darum kämpfen, ihren Ansatz weiterzuentwickeln und in größeren Dimensionen umzusetzen. Nur ein Prozent der Anbauflächen werden mit regenerativen Verfahren bestellt, und davon wiederum nur ein kleiner Teil mit regenerativen, biodynamischen Anbaumethoden. Diese vorausschauenden Landwirte zählen zu den wahren Pionieren unserer Zeit, die uns einen Weg in die Zukunft bahnen. Sie sollten unsere volle Unterstützung haben, um ihre Arbeit fortsetzen, sie beschleunigen und von 1 Prozent auf letztlich 100 Prozent ausbauen zu können. Tatsächlich werden sie jedoch nur in sehr begrenzter Form unterstützt. Anstatt ihnen zu helfen, geben wir nach wie vor zwischen 700 Milliarden und einer Billion Dollar pro Jahr für ein veraltetes landwirtschaftliches Paradigma aus, welches die Ackerböden auslaugt, das Grundwasser und Gewässer belastet, unsere Körper vergiftet und das Leben künftiger Generationen beeinträchtigt.


Abbildung 12: Januar 2020, Norddeutschland, Öko-Landwirte-Tagung »Schöpfung aus dem Nichts«


Am letzten Tag der Versammlung wurde ich gebeten, meinen Eindruck von unseren Diskussionen in den vorangegangenen zwei Tagen zusammenzufassen. Ich sagte Folgendes:


1. Am wichtigsten: Erfolgszuversicht. Jeder fundamentale Wandel beginnt mit einer felsenfesten Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten, an der Aufgabe zu wachsen. Meine indonesische Kollegin Shobi Lawalata hat das kürzlich zum Ausdruck gebracht, als sie über die großen Herausforderungen, die sich ihrer Community und ihrem Land stellen, sagte: »Dies ist der Moment, für den ich geboren wurde.« Demnach brauchen wir zuallererst das Bewusstsein und den Mut, der uns in die Lage versetzt, uns dem Problem zuzuwenden, anstatt uns von ihm abzuwenden.


2. Das Ziel: Erreichen einer zu 100 Prozent regenerativen Landwirtschaft bis 2040. Jeder Mensch, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel aufgeschlossen zur Kenntnis nimmt, wird zu dem gleichen Ergebnis kommen: Das Ziel muss sein, bis 2040 zu 100 Prozent regenerativ zu werden, sowohl in unserer Landwirtschaft als auch unserer Energieversorgung, und zwar weltweit. Zugegebenermaßen könnte das in Anbetracht unserer institutionellen Realitäten ein paar Jahre länger dauern; vielleicht werden wir es erst bis 2050 erreichen, doch das Ziel bleibt dasselbe.


3. Der Weg: direkte dialogorientierte Demokratie. Wie können wir auf dem Weg zu diesem Ziel vorankommen? Indem wir neue Bündnisse ins Leben rufen – Fridays for Future, Scientists for Future, Farmers for Future und so weiter – und unsere Demokratie dialogorientierter, dezentraler und direkter machen. Das Problem heute ist ja nicht, dass wir zu viele Optionen haben, sondern zu wenige. Als Konsumenten haben wir die freie Auswahl, aber als Bürger fehlt es uns an echten Möglichkeiten, öffentlich über die Zukunft, die wir gemeinsam gestalten wollen, zu diskutieren und zu entscheiden. Was wir heute brauchen, sind Bürgerversammlungen, die sich auf das konzentrieren, was 2040 ausschlaggebend sein wird. Dann, nach einem breit angelegten öffentlichen Dialog, sollten die besten Ideen durch Volksbefragungen zur Wahl gestellt werden. Die sich daraus ergebende Roadmap würde dann den legislativen und exekutiven Körperschaften vorgelegt werden, um von ihnen weiterentwickelt und in den Rahmen der Regierungspolitik eingearbeitet zu werden, stets begleitet von Beratungen mit den relevanten Interessengruppen. Immer mehr davon entwickelt sich schon heute, in diversen Regionen und Gemeinschaften in aller Welt, etwa in Irland, Frankreich, England, Schottland, Spanien, Kanada und Taiwan. Aber diese Entwicklung steht noch ganz am Anfang – es muss viel mehr passieren, und zwar jetzt …


4. Umstellen der Wirtschaft von »Ego« auf »Öko«. Derzeit laufen unsere Ökonomien unter einem Betriebssystem, das auf Ego-Bewusstsein basiert. Würde dieses Betriebssystem von Ego- auf Ökobewusstsein umgestellt, würde es sich auf fast jede erdenkliche Weise verändern und eine der wichtigsten fundamentalen Ursachen dieser Probleme an der Wurzel gepackt werden. So schafft zum Beispiel eine Community-Supported Agriculture (CSA, solidarische Landwirtschaft) eine engere und absichtsvollere Verbindung zwischen Landwirten und denen, die ihre Erzeugnisse konsumieren. Anstatt für jeden Apfel oder jede Karotte bezahlt zu werden, erhält der Bauer einen festen Betrag pro Woche oder Monat von mir (und den anderen Mitgliedern der CSA). Als Gegenleistung erhalte ich eine Auswahl an frischem Obst und Gemüse, das gemäß den Grundsätzen und Verfahren der regenerativen Ökolandwirtschaft produziert wurde. Durch dieses Modell verändert sich das Verhältnis zwischen Verbraucher und Bauer von einer transaktionalen zu einer transformativen und zielgerichteten Beziehung. In vielen Gegenden wird das schon heute im kleinen Maßstab praktiziert, doch in Zukunft könnte dieses Modell einer solidarischen Landwirtschaft so weit ausgebaut werden, dass es das gesamte System transformiert. Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Gemeinschaftsbank, die sich sozial-ökologischen Grundsätzen verpflichtet hat, stellte die Frage: »Wie können wir das, was heute im CSA-Modell funktioniert, auf die regionale oder nationale Ebene einer solidarischen Landwirtschaft bringen? Denn von dort wird die nächste Welle gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Innovationen kommen.« Und genau dort brauchen wir neue Formen von direkten, dialogorientierten, demokratischen Entscheidungsverfahren.


5. Vertikale Wirksamkeit. Meine Eltern stellten ihre Farm schon vor über 60 Jahren auf regenerative ökologische Anbauverfahren um. Jahrzehntelang besuchten immer wieder junge Leute die Farm, um etwas über solche Verfahren zu lernen. Heute haben viele von ihnen diese Grundsätze übernommen und führen ihren eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, in Deutschland, Europa und vielen anderen Regionen der Welt. Das könnte man als die »horizontale Wirksamkeit« bezeichnen. Doch viele dieser Bauern berichten auch von fundamentaleren Auswirkungen: den Prozess, als der Mensch gesehen zu werden, der sie wirklich sind und sich ihres tieferen Lebenssinns bewusst zu werden. Der Begriff, der mir in den Sinn kam, als ich solchen Beschreibungen zuhörte, ist vertikale Wirksamkeit.


In diesem Kontext könnte die vertikale Wirksamkeit von regenerativen ökologischen Anbauverfahren, obwohl sie ein unterschwelliger Prozess ist, auf lange Sicht deren wichtigste Rolle sein. In unserer heutigen Gesellschaft fehlt es an Gelegenheiten, die jungen Menschen helfen, ihre wahre Berufung zu erkennen, ihr größtmögliches zukünftiges Potenzial – das, was sie fortan wirklich aus ihrem Leben machen wollen. Landwirtschaft mit vertikaler Wirksamkeit schafft eine Verbindung zwischen den Menschen und den Lebewesen, die das Ökosystem des Hofs bilden: den Organismen im Boden, den Pflanzen und Tieren. Dieses tiefe Empfinden und In-sich-Hineinhorchen könnte als Zugang zu den tiefer liegenden Schichten der menschlichen Entwicklung dienen, und somit zu der tieferen Dimension von Führung und Orientierung. Diese hintergründige Wirkung, welche die Menschen in die Lage versetzt, weit über die Grenzen ihrer eigenen Blase hinaus zu empfinden und zu hören, könnte durchaus einer der wichtigsten Beiträge sein, die heute die »Farmers for Future« für die Heilung der Menschheit und des Planeten leisten können.


Zu Innovationen kommt es, wenn sich Gelegenheiten bieten. Das gleiche gilt für gesellschaftliche Erneuerungen. Wo sind diese Gelegenheiten zu finden? Regenerative Ökolandwirtschaft könnte eine solche Gelegenheit für gesellschaftliche Erneuerung sein.


Abbildung 13: Fünf fundamentale Ansätze, um regenerative Öko-Landwirtschaft voranzutreiben


Diese fünf Ansätze, vor allem vertikale Wirksamkeit, schienen auch mit den Erfahrungen der zahlreichen anwesenden Ökobauern im Einklang zu stehen.


Upgrade gesellschaftlicher Betriebssysteme


Als ich über diese Ökobauer-Tagung reflektierte, wurden mir zwei Dinge klar. Erstens beobachten wir auch in anderen Bereichen ganz ähnliche Muster von systemischem Wandel. Diese Muster kann man sich vorstellen als »Aktualisieren des Betriebssystems« (BS), unter dem unsere Gesellschaft läuft. Wir wissen von unseren Smartphones und Computern, wie wichtig es ist, ein System auf dem aktuellen Stand zu halten, doch ein Upgrade eines gesellschaftlichen Systems ist sehr viel schwieriger.


Und zweitens erfordert das Aktualisieren eines gesellschaftlichen Betriebssystems eine Änderung der Geisteshaltung – eine evolutionäre Entwicklung der Mentalität der Schlüsselfiguren des Systems von »ego« zu »öko«: vom Ego- zum Ökobewusstsein. Abbildung 14 zeigt, wie verschiedene Bereiche der Gesellschaft im Laufe der Zeit aktualisiert wurden (und wo sie das noch müssen):


Abbildung 14: Matrix System-Evolution – Upgrade gesellschaftlicher Betriebssysteme


Indem der Mainstream nach und nach vom BS 2.0 (Output- und Effizienz-zentrisch) zu Version 3.0 (Nutzer-zentrisch) voranschreitet und von dort zur Version 4.0 (Ökosystem-zentrisch), erkennen wir, dass jeder Übergang eine spezifische Unterstützungs- und Reaktionsstruktur erfordert. Um auf die drängenden Probleme vom Typ 4.0 zu reagieren, mit denen wir heute konfrontiert sind, können wir nicht die Reaktionsmechanismen einsetzen, die auf den Ebenen 1.0, 2.0 oder 3.0 operieren.


Infrastruktur-Innovationen


Unsere Gemeinschaften und sozialen Systeme brauchen Innovationen in drei Infrastrukturen, um den Übergang zu BS 4.0 zu vollziehen: in Deep-Learning-Infrastrukturen; in Deep-Democracy-Infrastrukturen, die Demokratie dialogorientierter und direkter machen; und in Deep-economic-Infrastrukturen, die vor der Entstehung von Märkten übliche Formen von Zusammenarbeit zwischen Beteiligten einführen, um Innovationen auf der Ebene des gesamten Systems zu bewirken. Zusammenfassung: Der Übergang zu Version 4.0 hängt von zwei Voraussetzungen ab. Die erste ist strukturell und erfordert kollaborative wirtschaftliche und demokratische Infrastrukturen. Die zweite ist kulturell und besteht darin, neue kollaborative Führungskompetenzen aufzubauen, welche die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen von »ego« zu »öko« führen, von einer Silo-Perspektive zu einer systemweiten Sicht der Dinge.


Abbildung 15: Infrastrukturen zur Aktivierung generativer gesellschaftlicher Aktionsfelder


Abbildung 15 visualisiert diese zweite Voraussetzung: die Heilung des Planeten Erde und die gesellschaftliche Erneuerung, die heute notwendig sind, erfordern das Aktivieren generativer gesellschaftlicher Aktionsfelder – das heißt, co-creative Felder vom Typ 4.0, die alle wichtigen Partner und Interessengruppen miteinbeziehen. Eine spezifische Unterstützungsstruktur ist notwendig, um diese Kapazitäten im gesellschaftlichen Maßstab aufzubauen.


Ein Bauhaus für vertikale Transformationskompetenz


Der Zugang zu dem, was Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie »Transformationskompetenz« nennt, ist ausgesprochen begrenzt, was in noch höherem Maße für vertikale Kompetenz gilt, wie ich zuvor dargelegt habe. Beide dieser Fähigkeiten liegen zufälligerweise im blinden Fleck des heutigen höheren Bildungswesens. Gleichwohl ist der Zugang zu ihnen heute wichtiger denn je. Wodurch könnte vertikale Transformationskompetenz in einem Umfang erweitert und vertieft werden, der den Herausforderungen angemessen ist, mit denen wir konfrontiert sind? Was könnte ein echter Game Changer sein, um diesen blinden Flecken unserer heutigen Bildungs- und Führungssysteme aufzuhellen?


Ein inspirierendes Beispiel, welch ein enormer Einfluss erreicht werden kann, das mir in den Sinn kommt, wenn ich über diese Fragen nachdenke, ist das Bauhaus, eine 1919 von Walter Gropius und seinen Kollegen gegründete Kunstschule. Das Bauhaus wurde ins Leben gerufen von einer kleinen Kerngruppe von Menschen in der kleinen Stadt Weimar inmitten des Chaos, das nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland herrschte. Und am Ende hatte es die architektonische Gestaltung von Stadtlandschaften und das industrielle Design von Verbraucherprodukten revolutioniert, rings um die Welt. Wie war das geschehen? Wie konnte eine so kleine Gruppe von Menschen letzten Endes einen so tief greifenden Einfluss entfalten, der noch heute – 100 Jahre später – anhält?


Die Gründer des Bauhaus begannen mit einer kühnen Vision. Sie wollten gutes Design für jedermann zugänglich machen, indem sie drei Bereiche zusammenführten, die traditionell getrennt betrachtet wurden: die Theorie von Design und Ästhetik, Kunsthandwerk und Materialkunde sowie industriell geprägte Massenproduktionsverfahren.


Abbildung 16: Aufbau der Lehre am Bauhaus


Abbildung 16 zeigt den ursprünglichen Aufbau der Lehre am Bauhaus. Der äußere Ring war der Vorkurs. In dieser Grundausbildung wurden Grundsätze und Theorie des Entwurfs gelehrt, und in praktischen Workshops, die von »Werkmeistern« geführt wurden, die Lehre von verschiedenen Baustoffen. Dieser Vorkurs dauerte mindestens ein halbes Jahr, und erst wenn der Student ihn bestanden hatte, durfte er an den weiterführenden Workshops teilnehmen, in denen praktische Erfahrungen mit verschiedenen Materialien, Geweben, Farben, Bauverfahren und Werkzeugen vermittelt wurden und ein »Naturstudium« stattfand. Erst nach mehreren Jahren eines intensiven Studiums nach der Bauhaus-Lehre wurde der Student für Arbeiten im inneren Bereich in Betracht gezogen (der im innersten Kreis der Abbildung dargestellt ist): auf dem Bauplatz, auf dem Versuchsplatz und für neue architektonische Entwürfe von BAUTEN.


Zeitsprung um gut 100 Jahre, von 1919 ins Jahr 2020. Heute ist unser wichtigstes Problem nicht mehr, revolutionäres Design in den Bau von physischer Architektur einzubringen, sondern nach heutigem Kenntnisstand Verfahren für neue gesellschaftliche Architekturen zu entwickeln – soziale Architekturen, die entscheidend sein könnten, um die gesellschaftliche Erneuerung und die Heilung des Planeten Erde voranzutreiben, die heute geboten sind.


Was wäre, wenn wir uns im 21. Jahrhundert ein neues Bauhaus für Transformationskompetenz vorstellen würden? Was wäre, wenn ein solches gesellschaftlich orientiertes Bauhaus den Schwerpunkt seiner Lehre auf das Entwickeln und Verbreiten von vertikaler Transformationskompetenz legen würde, also auf Verfahren und Werkzeuge für bewusstseinsbasierten systemischen Wandel? Was wäre, wenn eine solche Hochschule nicht nur für einige Wenige zugänglich wäre, wie vor 100 Jahren, sondern im Prinzip für alle und jeden? Was wäre, wenn es die Prototypen einer solchen neuen Schule schon gäbe? Was wäre, wenn die Verfahren und Werkzeuge, die lebenden Vorbilder, die visionären Pioniere, die Ökosysteme von Kompetenzzentren, die Innovationslabors und all die neuen Plattformen für anspruchsvolle online-zu-offline Bildung – was wäre, wenn all diese strategischen Werte einer neuen Bauhaus-Schule bereits vorhanden wären?


Was wäre, wenn das Einzige, was wir in die Tat umsetzen müssten, um diese Transformationsschule aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken, die folgenden drei Dinge wären: eine Reihe von engagierten Kommunen finden, in denen sich die ersten regionalen Kompetenzzentren dieser Hochschule ansiedeln könnten; eine kleine Gründergruppe bilden, die den konzeptionellen Rahmen ausarbeiten und erklären würde; und eine Startfinanzierung auflegen, die es ermöglichen würde, eine maßgeschneiderte Infrastruktur aufzubauen, die darauf ausgelegt wäre, die gesellschaftliche Erneuerung und die Heilung des Planeten zu fördern, und die im großen wie im kleinen Maßstab leicht reproduziert werden könnte.


Abbildung 17: Konzept einer denkbaren gesellschaftlichen Bauhaus-Schule für vertikale Transformationskompetenz


In Abbildung 17 sind einige denkbare Dimensionen einer Open-Source-basierten Hochschule für Transformation skizziert. Das Ziel einer solchen Schule wäre, eine gesellschaftliche Erneuerung und die Heilung des Planeten zu fördern, indem sie Verfahren zum Aktivieren generativer gesellschaftlicher Aktionsfelder lehrt. Mit anderen Worten: Die Schule würde Naturwissenschaften, soziale Fertigkeiten, gesellschaftlichen Wandel und Bewusstsein integrieren. Der Schwerpunkt der grundlegenden Lehrinhalte für vertikale Transformationskompetenz liegt auf bewusstseinsbasierten »sozialen Technologien« zum Herbeiführen von gesellschaftlichem Wandel durch Verlagern des inneren Standpunkts, von dem aus wir agieren. Diese sozialen Technologien helfen Akteuren des Wandels, ihre Aufmerksamkeit umzulenken, ihre Sensibilität zu vertiefen, Gespräche von Debatten in Dialoge umzuwandeln, durchgreifende Systeminterventionen zu konzipieren und Freiräume für unterschiedliche Interessengruppen zu schaffen, in denen sie auf ihren Ego-zu-Öko-Reisen des Wandels vorankommen können. Die Lernenden und die Akteure des Wandels würden sich in die entscheidenden Bereiche gesellschaftlichen Wandels vertiefen; dazu zählen: Transformieren unserer Wirtschaft durch Behandeln der sieben Akupunktur-Punkte; Fortentwickeln unserer Demokratie, um sie dialogorientierter, dezentraler und direkter zu gestalten; sowie Transformieren unserer Bildungsstrukturen durch Integrieren von Kopf, Herz und Hand im Kontext des großen Ganzen (Abbildung 17). Doch im Gegensatz zu elitären Institutionen, die zumeist nur die reichsten und intelligentesten Studenten aufnehmen, stünde die Hochschule für vertikale Transformationskompetenz den engagiertesten Akteuren jeglichen Alters offen – denen, die bereits in bahnbrechende und großartige Initiativen eingebunden sind. Demnach wäre die Rolle der Schule, ihnen generative Förderstrukturen zugänglich zu machen, um diesen Akteuren zu helfen, sich über System- und Sektorengrenzen hinweg zu vernetzen und sie mit Verfahren und Werkzeugen auszustatten, mit denen sie ihre Reise in unerforschtes Terrain fortsetzen können. Am Presencing Institute, einem Spin-off der Learning and Leadership Centers am Massachusetts Institute of Technology (MIT), entwickeln wir bereits seit vielen Jahren Prototypen solcher neuen, ganzheitlich auf Menschen und Systeme fokussierten Bildungsumgebungen. Diese kostenlosen und Open-Source-basierten, online-zu-offline Lerninfrastrukturen haben in den vergangenen fünf Jahren über 150 000 registrierte Nutzer angezogen und ein globales Ökosystem von Akteuren für bewusstseinsbasierten systemischen Wandel aktiviert (siehe MITx u.lab und Societal Transformation Lab).


Landung


Wo könnte es Landeplätze für diese neue, auf gesellschaftlicher Transformationskompetenz basierenden Universität geben? Wie wir hoffen, an vielen Orten. Unsere ersten, noch im Aufbau befindlichen Außenposten befinden sich in Bali, Indonesien, und in Berlin, Deutschland, neben dem früheren Flughafen Tempelhof, der vor rund 70 Jahren die Berliner Luftbrücke möglich machte. Das »Global Forum: From Ego to Eco 2030« des Presencing Institute fand im Juli 2020 auf diesem neu entstehenden Campus stattfinden. Die Teilnehmer des Forums hatten die Möglichkeit, online ihre eigenen »Action Hubs« anzulegen, sodass sie mit ihrer eigenen Community teilnehmen konnten, ohne per Flugzeug anreisen zu müssen.


Die wichtigste Erkenntnis, die Sie, wie ich hoffe, aus diesem dreiteiligen Essay mitnehmen werden, ist ganz einfach: Boden ist wichtig; unsere Demokratie ist wichtig; und unser Bewusstsein ist wichtig. Ackerboden ist wichtig, weil er uns ernährt – und weil er, wenn er richtig bestellt wird, uns helfen kann, den CO2-Gehalt unserer Atmosphäre massiv zu senken. Unsere Demokratie ist wichtig, weil sie das unentbehrliche Fundament unserer Gesellschaften bildet und den tiefgreifenden Wandel ermöglicht, der in den kommenden Jahrzehnten notwendig sein wird. Dieser Wandel ist durchaus möglich, wenn wir unsere demokratischen Strukturen weiterentwickeln, um sie dialogorientierter und direkter zu machen. Unser Bewusstsein ist wichtig, weil keine dieser Ideen funktionieren wird, sofern wir nicht dieses Bewusstsein von »ego« auf »öko« umstellen. Und am allerwichtigsten – sind Sie. Jeder von uns ist wichtig. Jede unserer Aktionen, Beziehungen und Zeiten des Engagements – das alles ist Teil unserer gemeinsamen Reise, der Überquerung einer Schwelle, des Wachsens an der Aufgabe im Hier und Jetzt.