Drahtwurm und Kaiseradler

L' aigle, qui rit


Ich war mir unsicher, ob es schon gut ist den Hartweizen zu säen. Immer wieder diese eisigen Kältewellen, die alles erstarren lassen. Der Frühling tut sich schwer heuer. Es war vielleicht ein bisschen übermutig schon vergangene Woche damit zu beginnen. Gestern war ich dann doch freudig überrascht, dass der Hartweizen schon so gut antreibt. Die Erde gibt von unten doch genug Wärme, um selbst unter diesen harschen Bedingungen eine Keimung zu ermöglichen.
Darum setzte ich die Aussaat fort und kam schließlich auf einen meiner Äcker, wo ich leider im Herbst auf meinen „Versuch“ komplett vergessen habe. Der Gründüngungs-Senf, der ja angeblich durch seine senfölhaltigen Ausscheidungen den Drahtwurm (Larve des Schnellkäfers) verscheuchen kann, wuchs den ganzen Winter ungekürzt weiter, wurde riesig hoch und ist erst im Februar richtig abgefroren. Mein botanischer Lösungsversuch des Drahtwurmproblems flocht sich nun leider ständig um die Säelemente und den Rechen der Maschine. Ich musste immer wieder das Gerät anheben, um weiterfahren zu können. So entstanden, über das ganze Feld, in ungleichmäßigen Abständen verteilte, riesige, in sich verknotete Senfstängelhaufen. Ärger stieg in mir hoch, das Gespött aus der bäuerlichen Kollegenschaft war mir wieder gewiss.


Da setzte sich ein Kaiseradler auf einen meiner Haufen und fand irgendwie Gefallen dran. Nun kannte ich diese Tierchen bis jetzt gar nicht. Die sind erst im Herbst merkbar und recht zahlreich aufgetaucht. Die galten als praktisch ausgestorben. Na, so was! Hat mich der jetzt angelacht? Zu sehen war das vielleicht nicht, aber spüren tut man sowas allemal. Dann hob er seine kräftigen Schwingen und flog davon. Sehr sympathisch! So ein unmittelbarer Dialog mit dem, was einem so zufliegt, beschert ein augenblickliches Gefühl purer Lebensfreude.


In der Monotonie des Traktorenlärmes, Sämaschinengeratters und des lästigen Haufensetzens, versank ich wieder im Weiterspinnen des Drahtwurmgedankenfadens. Ja, die Drahtwürmer sind ein echtes Problem. Sie fressen Wurzeln, Keimlinge und machen Löcher in die Kartoffeln. Dieses immer wieder per Notfallzulassung erlaubte Drahtwurm-Pestizid der Konventionellen ist schon derart gefährlich, dass man einen Spezialkurs zu diesem Einzelprodukt absolvieren muss, um sicherzugehen nicht gleich selbst neben der Sämaschine tot umzufallen, nur weil man durch eine schlechtsitzende Maske ein Stäubchen eingeatmet hat. Bei mancherlei Lösungen wünscht man sich echt das Problem zurück.
Der logisch nächste Innovationsschritt bei weiterer Resistenzbildung, wenn man in diese Richtung weiterdenken mag, wäre dann eh schon der feldmäßige Atombombeneinsatz. Der glorreiche Endsieg gegen den Drahtwurm und endlich optisch makellose Kartoffeln. Operation gelungen!


Ich finde es schade, dass die Welt immer noch so zu funktionieren hat. Die Welt scheint nur mehr aus Brettern zu bestehen. Diese – so wie ich sie bezeichnen würde - „1 +1 = 2 Logik“. Dabei ist es das, was man zuallererst gelernt bekommt, sobald der Ernst des Lebens beginnt. 1 Apfel + 1 Apfel sind 2 Äpfel. Was für ein Blödsinn! Da schaut keiner mehr den Kern des Apfels, geschweige erkennt den Baum im Samen! Würde man aus dieser Rechnung das Leben ausnahmsweise nicht heraushalten, würden aus 2 Äpfeln, sobald sie in fruchtbare Erde gefallen sind, wahrscheinlich 10 Bäume wachsen, die jedes Jahr - oder auch nicht - viele hunderte Äpfel als Ergebnis hätten! Äpfel wären dann allerdings völlig unberechenbar.


So funktioniert die Welt eben nicht. Zugegeben - man stelle sich nur ein Fußballspiel vor, bei dem die gegnerischen Mannschaften plötzlich zu kooperieren beginnen, ganz viele Fußbälle auf dem Spielfeld wären, wobei sich die Spieler noch Farbe der Bälle aussuchen dürften. Plötzlich nicht nur die Stürmer Tore schießen, sondern auch die Mittelfeldspieler und Verteidiger Tore schießen und die Torhüter ihre Positionen verlassen und – um Himmels Willen – auch zum Schuß kommen! Unglaublich! Unerhört wäre das! Den Fernseher würde man sofort abschalten.


Links:


https://www.erwerbsimkerbund.at/hochgiftiges-pestizid-in-speise-industriekartoffel-zugelassen+2500+1136885


Martin Grassberger (2020): Das leise Sterben, Residenz Verlag


 


Franz Schweinberger
Franz Schweinberger

Bio-Landwirt. Er schreibt im Natur-Dialog Magazin, pflegt die Kunst des Getreidebaus, Kartoffelbaus, Leguminosenanbaus, Weinbaus und Waldgärtenbaus und zerbricht sich gerne den Kopf über naturkonforme Ökosysteme, Humus, Agrarökologie, Natur-Dialogisches, dem was gerade ist und allem Menschlichen und Mehr-als-menschlichen dazwischen.




Astrid Habiba Kreszmeier
Astrid Habiba Kreszmeier

ist gerne Gastgeberin, auch hier in der Rubrik Wildes Weben. Sonst Begleiterin und Lehrtherapeutin in Systemischer Naturtherapie, Tiefenmythologie und Aufstellungsarbeit. Autorin, Gärtnerin und Aktivistin für Sympoietisches.
Wirkt und schreibt in nature&healing und seinem Journal für Erd- und Menschenverstand.